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12. Dezember 2023

EuGH zur Speicherdauer einer Restschuldbefreiung

• Länger als sechs Monate kommt die Speicherung einer Restschuldbefreiung durch die SCHUFA nicht in Betracht.
Bild: iStock.com / fizkes
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Weit mehr als ein Datenschutz-Thema
Es kann gut sein, dass Sie von diesem Thema noch nie gehört haben. Aber Sie sollten vorbereitet sein, falls es demnächst im Unternehmen heißt: Unsere Forderungsausfälle sind deutlich gestiegen. Und schuld daran ist der Datenschutz. Denn von Restschuldbefreiungen erfahren wir jetzt ja sehr schnell nichts mehr. Lesen Sie, was der Europäische Gerichtshof (EuGH) dazu entschieden hat.

➧ Die Berichte zu einem SCHUFA-Urteil des EuGH waren oft unvollständig

Sogar die Tagesschau hat darüber berichtet, dass sich der EuGH mit der Datenspeicherung durch die SCHUFA befasst hat. Im Vordergrund stand dabei allerdings ganz das Thema „Scoring-Werte“. Sie drücken aus, wie wahrscheinlich es ist, dass jemand einen Kredit samt Zinsen tatsächlich zurückzahlt. Das wirkt deutlich brisanter als ein weiteres Thema rund um die SCHUFA, das ebenfalls Thema beim EuGH war. Es geht darum, wie lange die SCHUFA eine Restschuldbefreiung speichern darf. Diese Frage ist gerade für viele „ganz normale“ Unternehmen mindestens genauso wichtig wie die Diskussion um „Scoring-Werte“

➧ Es geht um die Abwicklung von Privatinsolvenzen

Um den Hintergrund zu verstehen, bedarf es eines Blicks auf das Thema Privatinsolvenz. Kann eine Privatperson ihre Schulden nicht mehr bezahlen, gerät sie irgendwann in Privatinsolvenz. Manche sprechen auch von einem Privatkonkurs. Gemeint ist, dass ein gerichtliches Verfahren stattfindet, in dem das weitere Schicksal der aufgelaufenen Schulden geklärt wird. Bezahlen kann sie ein Schuldner in diesem Stadium normalerweise nur noch zu einem eher kleinen Teil.

Aber es gilt: Wenn der Schuldner bestimmte Voraussetzungen erfüllt, gewährt ihm das Gericht eine Restschuldbefreiung. Nach drei Jahren ist das möglich, sofern der Schuldner mindestens 35 % der offenen Forderungen beglichen hat und außerdem die Kosten des Insolvenzverfahrens.

➧ Schuldner mögen Restschuldbefreiungen, Gläubiger eher nicht

Für die Gläubiger, die dabei leer ausgehen, ist das eine schlechte Nachricht. Denn es bedeutet, dass der Schuldner die noch offenen Schulden endgültig nicht mehr zurückzahlen muss. Die Gläubiger müssen diese Forderungen buchstäblich abschreiben. Anders sieht es für den Schuldner aus. Ihm gibt die Restschuldbefreiung die Chance für einen wirtschaftlichen Neubeginn, unbelastet von den früheren Schulden. Denn sie sind rechtlich gesehen gewissermaßen verschwunden. Die Gläubiger können sie nicht mehr geltend machen.

➧ Insolvenzbekanntmachungen sind für Gläubiger wichtig

Wer sich in Insolvenz befindet, wird in aller Regel keinen neuen Kredit mehr bekommen. Doch wie findet ein Gläubiger heraus, gegen wen ein Insolvenzverfahren läuft? Amtliche Quelle hierfür ist das Insolvenzregister. Es ist frei zugänglich unter www.insolvenzbekanntmachungen.de.

Die Suche unter dem Namen einer Person ist dort ziemlich einfach. Dies scheint Risiken für künftige Gläubiger weitgehend auszuschließen. Denn auch die Gewährung einer Restschuldbefreiung wird in diesem Register verzeichnet. Doch so einfach ist es nicht. Entscheidend ist vielmehr die Frage, wie lange die entsprechenden Informationen in diesem Register zugänglich bleiben.

➧ Restschuldbefreiungen werden im Register nach sechs Monaten gelöscht

Eine Restschuldbefreiung wird in das Insolvenzregister eingetragen, sobald das Gericht sie rechtskräftig gewährt hat. Nach einer Frist von sechs Monaten wird die Restschuldbefreiung im Insolvenzregister dann aber wieder gelöscht. Das ist so festgelegt in § 3 der Verordnung des Bundes zu öffentlichen Bekanntmachungen in Insolvenzverfahren. Dies mindert die Aussagekraft des Registers für Gläubiger erheblich. Denn dies bedeutet mit anderen Worten: Wenn das Insolvenzgericht einem Schuldner eine Restschuldbefreiung gewährt hat, bei der er wahrscheinlich fast zwei Drittel seiner Schulden nicht bezahlen musste, findet sich dazu im Insolvenzregister bereits nach sechs Monaten nichts mehr. Der Schuldner steht dort vielmehr als „unbeschriebenes Blatt“ da.

➧ Die SCHUFA stellte die Informationen dennoch drei Jahre lang zur Verfügung

Wer sich als künftiger Gläubiger vor einer Kreditvergabe an die SCHUFA wandte, kam dort bisher deutlich weiter als bei einem bloßen Blick in das öffentliche Insolvenzregister. Die SCHUFA speicherte Informationen über Restschuldbefreiungen nämlich drei Jahre lang. Diese Informationen stellte sie ihren Kunden, also etwa künftigen Gläubigern, bei Bedarf zur Verfügung.

Diese Vorgehensweise war nicht etwa ein Alleingang der SCHUFA. Vielmehr verhielten sich alle privaten Wirtschaftsauskunfteien so. Anlass für irgendwelche rechtlichen Zweifel sahen sie dabei nicht. Immerhin hatte der Verband der Wirtschaftsauskunfteien entsprechende Verhaltensregeln ausgearbeitet und diese Verhaltensregeln von der zuständigen Aufsichtsbehörde für den Datenschutz genehmigen lassen (Genehmigung nach Art. 40 DSGVO).

➧ Auf eher verschlungenen Pfaden kam die Fragestellung zum EuGH

Ausgangspunkt des Verfahrens beim EuGH war ursprünglich eine Restschuldbefreiung, die das zuständige Insolvenzgericht einer Schuldnerin nach drei Jahren gewährte. Die entsprechenden Informationen waren sechs Monate lang im Insolvenzregister öffentlich zugänglich, danach nicht mehr. Die SCHUFA speicherte die Informationen jedoch auch noch nach Ablauf dieser sechs Monate in ihrer Datenbank. Wie üblich, wollte sie die Informationen drei Jahre lang für ihre Kunden verfügbar halten. Beschwerden der Schuldnerin gegen diese Vorgehensweise wies sie ab.

Daraufhin wandte sich die Schuldnerin an die hessische Datenschutzaufsicht und forderte sie auf, für eine Löschung der Daten zu sorgen. Das verweigerte ihr die hessische Datenschutzaufsicht. Daraufhin verklagte sie die Datenschutzaufsicht beim zuständigen Verwaltungsgericht auf Erlass einer entsprechenden Anordnung gegen die SCHUFA. Dieses Gericht wandte sich an den EuGH, um vom EuGH klären zu lassen, was die DSGVO zu diesem Thema sagt. Die Schuldnerin selbst hätte nicht direkt beim EuGH eine Klage erheben können.

➧ Der EuGH sieht nur eine denkbare Rechtsgrundlage für die Datenspeicherung

Bei der Speicherung der Daten über die Restschuldbefreiung durch die SCHUFA handelt es sich um eine Verarbeitung von personenbezogenen Daten. Daraus ergibt sich die Frage, auf welcher Rechtsgrundlage eine Auskunftei wie die SCHUFA solche Daten überhaupt speichern darf.

Rechtmäßig ist eine solche Speicherung nur, wenn eine der in Art. 6 DSGVO („Rechtmäßigkeit der Verarbeitung“) enthaltenen Rechtsgrundlagen erfüllt ist. Denn dieser Artikel der DSGVO listet abschließend auf, welche Rechtsgrundlagen es für die Verarbeitung von personenbezogenen Daten gibt. Nach Auffassung des EuGH kommt als Rechtsgrundlage allenfalls Art. 6 Abs. 1 Unterabsatz 1 Buchstabe f DSGVO in Betracht, also das berechtigte Interesse. Diese Rechtsgrundlage ist etwas kompliziert, weil sie drei Bedingungen miteinander kombiniert. Im Kern geht es um die Abwägung der Interessen aller Beteiligter.

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➧ Drei Voraussetzungen müssen geprüft werden

Bei Art. 6 Abs. 1 Unterabsatz 1 Buchstabe f DSGVO müssen drei Voraussetzungen erfüllt sein:

  • Den Ausgangspunkt und damit die erste Voraussetzung bildet die Frage, ob die SCHUFA als Verantwortlicher ein berechtigtes Interesse verfolgt, wenn sie Daten zu Restschuldbefreiungen speichert. Dies ist aus der Sicht des EuGH der Fall. Zum einen verarbeitet die SCHUFA diese Daten, um ihren Vertragspartnern Bonitätsprüfungen anbieten zu können. Zum anderen dient die Verarbeitung auch den Interessen der Vertragspartner der SCHUFA. Für sie ist es wichtig, Verträge nur mit Personen abzuschließen, die auch kreditwürdig sind.
  • Sodann ist als zweite Voraussetzung die Frage zu stellen, ob die Verarbeitung zwingend erforderlich ist, um diese berechtigten Interessen zu verwirklichen. Dies hält der EuGH zumindest für möglich. Allerdings lässt er die Frage an dieser Stelle noch offen.
  • Eine Antwort des EuGH auf diese Frage gibt es dann aber bei der Prüfung der dritten Voraussetzung. Dabei müssen die gegenseitigen Interessen der Beteiligten abgewogen werden. Hierzu sagt der EuGH: Jedenfalls eine Speicherung von länger als sechs Monaten würde den Zweck der Restschuldbefreiung gefährden. Sie dient dem Ziel, dem Schuldner künftig wieder die Teilnahme am Wirtschaftsleben zu ermöglichen – auch dadurch, dass er wieder Kredit erhält. Wenn Kreditauskunfteien Informationen über eine Restschuldbefreiung länger speichern dürften, als diese Informationen im Insolvenzregister öffentlich zugänglich sind, würde dieser Zweck der Restschuldbefreiung unterlaufen und im Ergebnis vereitelt.

➧ Das Ergebnis des EuGH ist zweigeteilt

Der EuGH unterscheidet zwei Konstellationen:

  • Länger als sechs Monate kommt die Speicherung einer Restschuldbefreiung durch die SCHUFA nicht in Betracht. Insoweit steht für den EuGH fest, dass die Interessen des Schuldners überwiegen. Er muss sich nicht mehr mit Informationen konfrontieren lassen, die im amtlichen Insolvenzregister schon gelöscht sind. In diesem Punkt legt sich der EuGH abschließend fest.
  • Bis zu sechs Monaten darf die SCHUFA eine Restschuldbefreiung dagegen zumindest einstweilen noch speichern. Die Einschränkung „einstweilig“ ist nötig, weil der EuGH in diesem Punkt keine abschließende Entscheidung trifft. Diese Entscheidung überlässt er vielmehr dem Verwaltungsgericht, das ihm die Fragen zur Auslegung der DSGVO vorgelegt hat. Es soll selbst darüber entscheiden, ob eine Restschuldbefreiung bei einer Auskunftei jedenfalls so lange gespeichert werden darf, wie sie im Insolvenzregister öffentlich zugänglich ist. Dabei ist deutlich zu spüren, dass der EuGH Zweifel daran hat, ob dies gerechtfertigt sein kann. Denn bei Bedarf kann ja jeder direkt in das öffentliche Register schauen.

➧ Der Spielraum der Aufsichtsbehörden ist eng

Die zuständige Aufsichtsbehörde hatte Verhaltensregeln gemäß Art. 40 DSGVO genehmigt, die eine Speicherdauer von drei Jahren für Informationen über eine Restschuldbefreiung akzeptierten. Diese Genehmigung war, was der EuGH nicht erläutert, sogar erst nach einem bundesweiten Austausch zwischen allen deutschen Aufsichtsbehörden erfolgt. Den EuGH beeindruckt jedoch all das nicht. Vielmehr betont er: Solche Verhaltensregeln können nicht mehr erlauben als nach der DSGVO zulässig wäre. Mit anderen Worten können solche Verhaltensregeln lediglich über die Anforderungen der DSGVO hinausgehen, aber nicht dahinter zurückbleiben. Das dürfte die Attraktivität von Verhaltensregeln deutlich mindern.

➧ Hier ist das Urteil des EuGH zu finden

Das Urteil des EuGH vom 7. Dezember 2023 trägt gleich zwei Aktenzeichen, nämlich C-26/22 und C-64/22. Das liegt daran, dass das Gericht zwei ähnlich gelagerte Verfahren zur gemeinsamen Verhandlungen der Entscheidung miteinander verbunden hat. Das Urteil des EuGH ist abrufbar unter https://curia.europa.eu/juris/liste.jsf?language=de&td=ALL&num=C-26/22.

In den Medien stärker beachtet wurde das Urteil des EuGH vom 7. Dezember 2023 mit dem Aktenzeichen C-634/21, das sich mit dem Thema „Scoring-Werte“ befasst. Es ist abrufbar unter https://curia.europa.eu/juris/documents.jsf?num=C-634/21.

Dr. Eugen Ehmann

Dr. Eugen Ehmann
Verfasst von
Dr. Eugen Ehmann
Dr. Eugen Ehmann
Dr. Eugen Ehmann ist ausgewiesener Fachmann auf dem Gebiet des Datenschutzes in Unternehmen & Behörden. Er ist Herausgeber eines renommierten DSGVO-Kommentars und Autor zahlreicher Beiträge in der Datenschutz PRAXIS sowie in vielen weiteren Datenschutz-Veröffentlichungen. Außerdem moderiert er seit 2003 den Datenschutz-Kongress IDACON
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