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21. September 2021

Videokameras: Wie weit reichen die Befugnisse der Datenschutzaufsicht?

Eine nicht aktive Viedeokamera unterfällt nicht der DSGVO
Bild: iStock.com / AndreyPopov
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Abbau oder nur Stilllegung?
Ein Einkaufszentrum betreibt eine unzulässige Überwachungskamera auf seinem Parkplatz. Die Datenschutzaufsicht greift ein. Daraufhin legt das Einkaufszentrum die Kamera still. Das reicht der Aufsicht nicht. Sie will, dass die Kamera vollständig abgebaut wird. Reichen ihre Befugnisse dafür aus?

Vier Kameras schützen eine teure Werbetafel

Auf dem Parkplatz eines Einkaufszentrums befindet sich eine große LED-Werbetafel. Ihr Wert beträgt ungefähr 200.000 Euro. Der Eigentümer will nicht riskieren, dass sie beschädigt wird. Deshalb baut er zu ihrem Schutz vier Überwachungskameras auf.

Gestritten wird nur noch um eine einzige Kamera

Der Datenschutzaufsicht gefällt dies zunächst insgesamt nicht. Bei allen vier Kameras hat sie irgendetwas zu beanstanden. Bei drei Kameras einigt sich der Eigentümer mit ihr, und sie gibt sich insoweit zufrieden. Anders sieht es dagegen bei der vierten Kamera aus. Diese Kamera akzeptiert die Datenschutzaufsicht weiterhin nicht.

Eine private Videoüberwachung öffentlicher Straßen ist unzulässig

Der Grund: Diese Kamera überwacht den Bereich, der die vorbeiführende Bundesstraße mit dem Parkplatz des Einkaufszentrums verbindet. Dieser Bereich ist öffentlicher Verkehrsraum. Und die gezielte heimliche Überwachung von Personen auf öffentlichen Straßen, Wegen und Plätzen ist nach Auffassung der Datenschutzaufsicht unzulässig.

Der Eigentümer will abschalten, aber nicht abbauen

Zähneknirschend wäre der Eigentümer bereit, diese Kamera abzuschalten. Das reicht der Datenschutzaufsicht jedoch nicht. Sie hält eine bloße Abschaltung der Kamera für ungenügend.

Denn die Abschaltung allein ändere nichts daran, dass von der Kamera weiterhin ein Überwachungsdruck ausgehe. Außerdem könnte es sein, dass die Kamera doch wieder in Betrieb genommen wird. Denn technisch bleibt sie ja nach wie vor voll funktionsfähig.

Das Gericht gibt dem Eigentümer Recht

Weil sich Eigentümer und Datenschutzaufsicht nicht einigen können, kommt diese Frage schließlich vor Gericht. Nach Auffassung des Gerichts kann die Datenschutzaufsicht nicht verlangen, dass die Videokamera abgebaut wird. Sie ist lediglich befugt, die Stilllegung der Kamera zu verlangen. Hierfür führt das Gericht mehrere Argumente an.

Der Anwendungsbereich der DSGVO ist begrenzt

Auf eine deaktivierte Kamera ist die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) von vornherein nicht anwendbar. Der Anwendungsbereich der DSGVO ist nur dann eröffnet, wenn eine Verarbeitung von personenbezogenen Daten vorliegt.

Dieser Begriff setzt, vereinfacht gesagt, voraus, dass mit personenbezogenen Daten irgendetwas gemacht wird. Art. 4 Nummer 2 DSGVO nennt als Beispiele hierfür das Erheben von Daten, das Ordnen, die Speicherung, aber auch ihre Übermittlung.

Eine abgeschaltete Kamera verarbeitet nichts

Nichts dergleichen geschieht jedoch im vorliegenden Fall. Solange die Videokamera aktiviert war, hat sie Daten gespeichert und diese Daten damit verarbeitet. Inzwischen ist sie jedoch deaktiviert. Damit findet keine Datenverarbeitung mehr statt. In den Worten des Gerichts: „Ist die Kamera ausgeschaltet, findet … eine Verarbeitung personenbezogener Daten nicht (mehr) statt.“

Wichtig
Eine Kamera, die zwar vorhanden und an sich auch betriebsfähig ist, tatsächlich aber nicht betrieben wird, fällt nicht in den Anwendungsbereich der DSGVO.

Stilllegung und Abbau einer Kamera sind zwei verschiedene Dinge

Die Datenschutzaufsicht kann zwar eine rechtswidrige Verarbeitung von Daten verbieten. Daraus ergibt sich aber nicht die Befugnis, die Beseitigung der verwendeten Hardware zu verlangen.

Die DSGVO gibt der Datenschutzaufsicht die Befugnis, eine rechtswidrige Verarbeitung zu verbieten (siehe Art. 58 Abs. 2 Buchstabe f DSGVO). Diese Befugnis bezieht sich eindeutig nur auf das Verbot der Verarbeitung. Sie ermächtigt die Datenschutzaufsicht jedoch nicht dazu, eine Hardware beseitigen zu lassen, die für die rechtswidrige Verarbeitung von Daten verwendet worden ist.

Die Verarbeitung ist bei einer Kamera beendet, sobald sie stillgelegt ist. Die Beseitigung der Videokamera kann die Datenschutzaufsicht dagegen nicht verlangen.

Die DSGVO enthält eine bewusste Einschränkung

Es mag zwar sein, dass es wünschenswert wäre, wenn die Datenschutzaufsicht auch eine Beseitigung der Kamera anordnen könnte. Die DSGVO hat dies jedoch nun einmal nicht vorgesehen.

Das ist auch keine „Panne“ des Gesetzgebers, die durch eine erweiternde Auslegung der Befugnis behoben werden müsste. Die Befugnisse der Datenschutzaufsicht sind in Art. 58 Abs. 2 DSGVO sehr differenziert geregelt. Dies spricht dagegen, dass der Gesetzgeber hier versehentlich eine Lücke gelassen hat.

Der „Überwachungsdruck“ ist kein Argument

Der Hinweis auf einen „Überwachungsdruck“, der von der Videokamera nach wie vor ausgeht, führt zu keinem anderen Ergebnis. Jedenfalls im Rahmen der DSGVO spielt dieses Argument keine Rolle. Es ändert nichts daran, dass eine abgeschaltete Kamera keine personenbezogenen Daten verarbeitet. Und nur gegen die unzulässige Verarbeitung von Daten will die DSGVO schützen.

Der Weg zu den Zivilgerichten bleibt offen

Ob sich betroffene Personen möglicherweise individuell dagegen wehren können, einen subjektiven Überwachungsdruck ertragen zu müssen, ist eine andere Frage. Falls es einen solchen rechtlichen Anspruch gibt, müssten sie ihn selbst vor den Zivilgerichten (etwa dem Amtsgericht) geltend machen. Die Datenschutzaufsicht hat mit solchen zivilrechtlichen Ansprüchen nichts zu tun.

Verstärkt sich die Tendenz zu Kamera-Attrappen?

Im Ergebnis bedeutet dies: Gegen abgeschaltete Videokameras und auch gegen Kamera-Attrappen, die überhaupt keine Aufnahmen anfertigen können, kann die Datenschutzaufsicht nicht einschreiten.

Wichtig
Das ist für die Praxis von großer Bedeutung. Denn gerade eine gut sichtbare Kamera erfüllt den Zweck der Abschreckung oft unabhängig davon, ob sie überhaupt in Betrieb ist. Dies könnte dazu führen, dass künftig vermehrt Scheinkameras zum Einsatz kommen. Jedenfalls die Datenschutzaufsicht müsste einer solchen Entwicklung tatenlos zusehen.

Quelle: Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 25.6.2021 – 10 A 10302/21. Das Urteil ist abrufbar unter http://www.landesrecht.rlp.de/jportal/portal/t/7qe/page/bsrlpprod.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&doc.id=MWRE210002705&doc.part=L.

Dr. Eugen Ehmann

Dr. Eugen Ehmann
Verfasst von
Dr. Eugen Ehmann
Dr. Eugen Ehmann
Dr. Eugen Ehmann ist ausgewiesener Fachmann auf dem Gebiet des Datenschutzes in Unternehmen & Behörden. Er ist Herausgeber eines renommierten DSGVO-Kommentars und Autor zahlreicher Beiträge in der Datenschutz PRAXIS sowie in vielen weiteren Datenschutz-Veröffentlichungen. Außerdem moderiert er seit 2003 den Datenschutz-Kongress IDACON
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