Videokameras: Wie weit reichen die Befugnisse der Datenschutzaufsicht?
Vier Kameras schützen eine teure Werbetafel
Auf dem Parkplatz eines Einkaufszentrums befindet sich eine große LED-Werbetafel. Ihr Wert beträgt ungefähr 200.000 Euro. Der Eigentümer will nicht riskieren, dass sie beschädigt wird. Deshalb baut er zu ihrem Schutz vier Überwachungskameras auf.
Gestritten wird nur noch um eine einzige Kamera
Der Datenschutzaufsicht gefällt dies zunächst insgesamt nicht. Bei allen vier Kameras hat sie irgendetwas zu beanstanden. Bei drei Kameras einigt sich der Eigentümer mit ihr, und sie gibt sich insoweit zufrieden. Anders sieht es dagegen bei der vierten Kamera aus. Diese Kamera akzeptiert die Datenschutzaufsicht weiterhin nicht.
Eine private Videoüberwachung öffentlicher Straßen ist unzulässig
Der Grund: Diese Kamera überwacht den Bereich, der die vorbeiführende Bundesstraße mit dem Parkplatz des Einkaufszentrums verbindet. Dieser Bereich ist öffentlicher Verkehrsraum. Und die gezielte heimliche Überwachung von Personen auf öffentlichen Straßen, Wegen und Plätzen ist nach Auffassung der Datenschutzaufsicht unzulässig.
Der Eigentümer will abschalten, aber nicht abbauen
Zähneknirschend wäre der Eigentümer bereit, diese Kamera abzuschalten. Das reicht der Datenschutzaufsicht jedoch nicht. Sie hält eine bloße Abschaltung der Kamera für ungenügend.
Denn die Abschaltung allein ändere nichts daran, dass von der Kamera weiterhin ein Überwachungsdruck ausgehe. Außerdem könnte es sein, dass die Kamera doch wieder in Betrieb genommen wird. Denn technisch bleibt sie ja nach wie vor voll funktionsfähig.
Das Gericht gibt dem Eigentümer Recht
Weil sich Eigentümer und Datenschutzaufsicht nicht einigen können, kommt diese Frage schließlich vor Gericht. Nach Auffassung des Gerichts kann die Datenschutzaufsicht nicht verlangen, dass die Videokamera abgebaut wird. Sie ist lediglich befugt, die Stilllegung der Kamera zu verlangen. Hierfür führt das Gericht mehrere Argumente an.
Der Anwendungsbereich der DSGVO ist begrenzt
Auf eine deaktivierte Kamera ist die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) von vornherein nicht anwendbar. Der Anwendungsbereich der DSGVO ist nur dann eröffnet, wenn eine Verarbeitung von personenbezogenen Daten vorliegt.
Dieser Begriff setzt, vereinfacht gesagt, voraus, dass mit personenbezogenen Daten irgendetwas gemacht wird. Art. 4 Nummer 2 DSGVO nennt als Beispiele hierfür das Erheben von Daten, das Ordnen, die Speicherung, aber auch ihre Übermittlung.
Eine abgeschaltete Kamera verarbeitet nichts
Nichts dergleichen geschieht jedoch im vorliegenden Fall. Solange die Videokamera aktiviert war, hat sie Daten gespeichert und diese Daten damit verarbeitet. Inzwischen ist sie jedoch deaktiviert. Damit findet keine Datenverarbeitung mehr statt. In den Worten des Gerichts: „Ist die Kamera ausgeschaltet, findet … eine Verarbeitung personenbezogener Daten nicht (mehr) statt.“
Stilllegung und Abbau einer Kamera sind zwei verschiedene Dinge
Die Datenschutzaufsicht kann zwar eine rechtswidrige Verarbeitung von Daten verbieten. Daraus ergibt sich aber nicht die Befugnis, die Beseitigung der verwendeten Hardware zu verlangen.
Die DSGVO gibt der Datenschutzaufsicht die Befugnis, eine rechtswidrige Verarbeitung zu verbieten (siehe Art. 58 Abs. 2 Buchstabe f DSGVO). Diese Befugnis bezieht sich eindeutig nur auf das Verbot der Verarbeitung. Sie ermächtigt die Datenschutzaufsicht jedoch nicht dazu, eine Hardware beseitigen zu lassen, die für die rechtswidrige Verarbeitung von Daten verwendet worden ist.
Die Verarbeitung ist bei einer Kamera beendet, sobald sie stillgelegt ist. Die Beseitigung der Videokamera kann die Datenschutzaufsicht dagegen nicht verlangen.
Die DSGVO enthält eine bewusste Einschränkung
Es mag zwar sein, dass es wünschenswert wäre, wenn die Datenschutzaufsicht auch eine Beseitigung der Kamera anordnen könnte. Die DSGVO hat dies jedoch nun einmal nicht vorgesehen.
Das ist auch keine „Panne“ des Gesetzgebers, die durch eine erweiternde Auslegung der Befugnis behoben werden müsste. Die Befugnisse der Datenschutzaufsicht sind in Art. 58 Abs. 2 DSGVO sehr differenziert geregelt. Dies spricht dagegen, dass der Gesetzgeber hier versehentlich eine Lücke gelassen hat.
Der „Überwachungsdruck“ ist kein Argument
Der Hinweis auf einen „Überwachungsdruck“, der von der Videokamera nach wie vor ausgeht, führt zu keinem anderen Ergebnis. Jedenfalls im Rahmen der DSGVO spielt dieses Argument keine Rolle. Es ändert nichts daran, dass eine abgeschaltete Kamera keine personenbezogenen Daten verarbeitet. Und nur gegen die unzulässige Verarbeitung von Daten will die DSGVO schützen.
Der Weg zu den Zivilgerichten bleibt offen
Ob sich betroffene Personen möglicherweise individuell dagegen wehren können, einen subjektiven Überwachungsdruck ertragen zu müssen, ist eine andere Frage. Falls es einen solchen rechtlichen Anspruch gibt, müssten sie ihn selbst vor den Zivilgerichten (etwa dem Amtsgericht) geltend machen. Die Datenschutzaufsicht hat mit solchen zivilrechtlichen Ansprüchen nichts zu tun.
Verstärkt sich die Tendenz zu Kamera-Attrappen?
Im Ergebnis bedeutet dies: Gegen abgeschaltete Videokameras und auch gegen Kamera-Attrappen, die überhaupt keine Aufnahmen anfertigen können, kann die Datenschutzaufsicht nicht einschreiten.