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08. August 2023

Auswertung von E-Mails durch Arbeitgeber

Wann darf ein Arbeitgeber private E-Mails auswerten, wann nicht?
Bild: iStock.com / hirun
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Vieles ist klar, anderes sehr umstritten
Solange Harmonie zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer herrscht, taucht das Problem typischerweise nicht auf. Aber wehe, wenn es Spannungen gibt! Dann gibt es plötzlich Streit darüber, ob der Arbeitgeber E-Mails des Arbeitnehmers auswerten darf. Besondere Brisanz hat das Thema, wenn es zum Kündigungsschutzprozess kommt.

➧ Was ist bei E-Mails heute anders als früher?

Wer eine berufliche E-Mail verfasst, verhält sich dabei oft anders, als wenn er einen traditionellen Geschäftsbrief auf Papier schreiben würde:

Dort, wo es auf den Aufbau von persönlichen Kontakten zu Kunden ankommt (etwa im Vertrieb) fließen in E-Mails oft persönliche Informationen des Absenders ein, etwa zu einem anstehenden Urlaub. Bei einem klassischen Geschäftsbrief auf Papier würde der Absender dies kaum tun.

Sind Kollegen miteinander befreundet, schreiben sie in dienstlichen E-Mails oft auch private Dinge, die man im „vordigitalen Zeitalter“ überhaupt nicht schriftlich festgehalten hätte.

Das alles geschieht sogar dann, wenn alle Beteiligten wissen, dass E-Mails als Geschäftspost archiviert werden. Ohne lange darüber nachzudenken, verlassen sie sich darauf, dass „da ohnehin normalerweise niemand dran geht.“

➧ Wie reagieren Gerichte auf diese Veränderungen?

Das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg bewertet diese Situation so:

  • Die E-Mail ist nach Art ihres üblichen Einsatzes in der betrieblichen Wirklichkeit ein gegenüber dem Geschäftsbrief eigenständiges Kommunikationsmittel geworden.
  • Der Anteil des persönlichen Informationsaustauschs ist bei einer E-Mail regelmäßig höher als bei einem Geschäftsbrief.
  • Insofern nimmt die E-Mail eine Zwischenstellung zwischen einem persönlichen Gespräch oder einem Telefongespräch einerseits und einem Geschäftsbrief andererseits ein.

➧ Wie sieht ein Beispiel aus der Praxis aus?

Zum Schwur kommt es rechtlich gesehen dann, wenn E-Mails in einem Kündigungsschutzprozess als Beweismittel dienen sollen. Dann sind die Gerichte damit konfrontiert, dass sich die Grenze zwischen dienstlichen und privaten E-Mails in der Praxis oft verwischt. Hierzu ein Beispiel:

Ein Unternehmen stattete die meisten seiner Beschäftigten mit Smartphones für den dienstlichen Gebrauch aus. Ein leitender Mitarbeiter war davon nicht begeistert. Er wollte keine zwei Smartphones haben, sondern nur eines, das er sowohl dienstlich als auch privat nutzen kann.

Man einigte sich so: Der Mitarbeiter besorgte sich ein neues iPhone. Für dieses iPhone nutzte er seine bisherige private SIM-Karte und  seine Mobilfunknummer. Die Kosten für den Handyvertrag übernahm der Arbeitgeber. Seine geschäftliche Mailadresse im Unternehmen benutzte der Mitarbeiter fortan an auch für private Kommunikation. Außerdem installierte er WhatsApp und nutzte diesen Dienst sowohl für private Nachrichten an Freunde usw. als auch für dienstliche Nachrichten an Kollegen und Vorgesetzte.

Eine ausdrückliche Vereinbarung dazu, was der Mitarbeiter tun durfte und was er zu lassen hatte, schlossen er und sein Arbeitgeber nicht. Das sollte sich rächen, als es zu Spannungen kam.

➧ Was passierte anlässlich der Kündigung?

Der Arbeitgeber sprach gegenüber dem Mitarbeiter mehrere Kündigungen aus, teils außerordentliche Kündigungen, teils ordentliche Kündigungen. Bei einem Kündigungsgespräch forderte der Arbeitgeber den Mitarbeiter auf, ihm das iPhone zu übergeben. Das tat der Mitarbeiter.

Der Arbeitgeber wertete die auf dem iPhone vorhandenen E-Mails umfassend aus. Was er dabei fand, versuchte er für die Begründung seiner Kündigungen zu nutzen.

Jetzt geht es für das Gericht um die Frage, ob der Arbeitgeber den Inhalt der E-Mails überhaupt vor Gericht vortragen darf oder nicht. Der Arbeitgeber ist der Auffassung, das sei kein Problem. Sein früherer Mitarbeiter meint, hier bestünde ein Verwertungsverbot. Denn der Arbeitgeber habe sich die entsprechenden Daten auf unzulässige Weise verschafft.

➧ Welche Konstellationen bei E-Mails unterscheidet das Gericht?

Das Gericht unterscheidet im Ergebnis zwei Konstellationen:

  • Konstellation 1: Der Arbeitgeber hat nur eine dienstliche Nutzung von E-Mails erlaubt und eine private Nutzung ausdrücklich verboten.
  • Konstellation 2: Der Arbeitgeber hat die private Nutzung ausdrücklich gestattet oder zumindest ohne Widerspruch geduldet.

Bei beiden Konstellationen unterscheiden sich die Auswertungsbefugnisse des Arbeitgebers deutlich.

➧ Was gilt bei einem Verbot der privaten Nutzung von E-Mails?

In den Fällen von Konstellation 1 hat der Arbeitgeber recht umfassende Befugnisse:

  • Schon um die Einhaltung des Verbots der Privatnutzung zu kontrollieren, darf der Arbeitgeber Kontrollen durchführen.
  • Eingehende und ausgehende Mails darf er im selben Umfang zur Kenntnis nehmen wie klassischen Schriftverkehr auf Papier.
  • Dies bedeutet, dass er den Inhalt der E-Mails ohne besonderen Grund überprüfen darf
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➧ Was gilt bei erlaubter oder geduldeter privater Nutzung von E-Mails?

In den Fällen von Konstellation 2 wird es für den Arbeitgeber bei Kontrollen deutlich schwieriger:

  • Private Mails darf der Arbeitgeber nicht kontrollieren, da sie besonders schutzbedürftig sind.
  • Deshalb muss der Arbeitgeber den Arbeitnehmer vor einer Kontrolle darüber informieren, dass er eine Kontrolle durchführen will.
  • Der Arbeitnehmer muss die Gelegenheit bekommen, private Nachrichten vor der Kontrolle in einem gesonderten Ordner zu speichern.
  • Den Inhalt dieses gesonderten Ordners darf der Arbeitgeber nicht kontrollieren.

➧ Was ist das Besondere des konkreten Falls?

Die Beteiligten haben keine konkrete Vereinbarung dazu getroffen, ob der Mitarbeiter den E-Mail-Account nur dienstlich oder auch privat nutzen darf. Deshalb kann man sich darüber streiten, ob beides erlaubt war oder nicht.

Nach Meinung des Gerichts konnte der Mitarbeiter davon ausgehen, seinen dienstlichen E-Mail-Account auch privat nutzen zu dürfen. Das ergibt sich schon daraus, dass das iPhone ohne die private SIM-Karte des früheren Mitarbeiters und die von ihm mitgebrachte Mobilnummer überhaupt nicht zu benutzen gewesen wäre. Es sei deshalb eine „einvernehmliche Mischnutzung für private und dienstliche Belange“ anzunehmen.

Damit würden hier die Beschränkungen gelten, die oben für Konstellation 2 geschildert wurden. Das Gericht betont aber, dass es auf diesen Aspekt eigentlich gar nicht ankommt. Denn in jedem Fall sei die umfangreiche Auswertung, die der Arbeitgeber vorgenommen hat, so nicht erforderlich gewesen.

Die Auswertung erfolgte nämlich für die komplette Dauer des Arbeitsverhältnisses von viereinhalb Jahren. In dieser Zeit nahm der Mitarbeiter im Unternehmen unterschiedliche Funktionen war. Deshalb erschließt sich für das Gericht nicht, was sich aus teils über vier Jahre alten Mails ergeben soll, das für die erst kürzlich ausgesprochenen Kündigungen relevant sein könnte.

➧ Wie ist im konkreten Fall das Ergebnis?

Das Gericht kommt zu dem Schluss, dass der Arbeitgeber die ausgewerteten Daten nicht in das Verfahren einbringen darf. Es besteht also ein „Sachvortragsverwertungsverbot im Kündigungsschutzprozess“. Im Klartext: Das Gericht wird sich mit dem, was der Arbeitgeber ausgewertet hat, überhaupt nicht befassen.

➧ Was heißt das für andere Fälle?

Teilweise ist die Entscheidung des Gerichts so verstanden worden, dass ein Arbeitgeber einen E-Mail-Account generell nicht auswerten darf, wenn er private Mails enthält. Das stimmt in dieser Allgemeinheit nicht.

Allerdings lässt sich sagen: Wenn ein Arbeitgeber von einer privaten Nutzung weiß, aber nicht dagegen vorgeht, wird es für ihn in einem Kündigungsschutzprozess schnell schwierig. Er muss dann stets damit rechnen, dass das Gericht eine Auswertung des E-Mail-Accounts als unzulässig ansieht.

➧ Wo finde ich das Urteil?

Das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 27.01.2023 trägt das Aktenzeichen 12 Sa 56/21. Es ist abrufbar unter: http://lrbw.juris.de/cgi-bin/laender_rechtsprechung/document.py?Gericht=bw&nr=38862.

Der Sachverhalt des Urteils ist sehr verwickelt, und das Urteil selbst besteht aus insgesamt 378 Randnummern. Die rechtlichen Aussagen unserer Darstellung stützen sich vor allem auf folgende Randnummern:

  • Rn 278–280 (Unterschiede zwischen E-Mail, Telefon und Geschäftsbrief)
  • Rn 281–264 (maßgebliche Regeln für die rein dienstliche Nutzung und für die erlaubt oder geduldeter privater Nutzung)
  • Rn 270–277 (Besonderheiten des konkreten Falls)

Dr. Eugen Ehmann

Dr. Eugen Ehmann
Verfasst von
Dr. Eugen Ehmann
Dr. Eugen Ehmann
Dr. Eugen Ehmann ist ausgewiesener Fachmann auf dem Gebiet des Datenschutzes in Unternehmen & Behörden. Er ist Herausgeber eines renommierten DSGVO-Kommentars und Autor zahlreicher Beiträge in der Datenschutz PRAXIS sowie in vielen weiteren Datenschutz-Veröffentlichungen. Außerdem moderiert er seit 2003 den Datenschutz-Kongress IDACON
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