„Positivdaten“ für die Schufa
Viele wären froh, würden sie von der SCHUFA als so kreditwürdig eingestuft wie dieser Telefonkunde. Die SCHUFA ermittelte für ihn einen „Basis-Score“ von 97,28 %, was in Worten ausgedrückt „hervorragend“ bedeutet. Umso mehr war er irritiert, als er einen neuen Handyvertrag abschloss. Der Telefonanbieter übermittelte nämlich die Tatsache, dass ein solcher Vertrag zustande gekommen war, postwendend an die SCHUFA. Darin sah der Kunde einen Verstoß gegen die DSGVO.
Es geht um einen „Postpaid-Vertrag“
In unserem Fall hatte der Kunde einen „Postpaid-Vertrag abgeschlossen. Verträge für Handys gibt es in zwei verschiedenen Grundformen. Sie unterscheiden sich danach, zu welchem Zeitpunkt der Kunde zahlt:
- Bei einem „Prepaid- Vertrag“ geschieht dies im Voraus. Wenn ein neues Handy zum Vertrag gehört, ist dieses Handy gleich zu bezahlen. Telefonieren kann der Kunde nur mit dem Guthaben, das er zuvor auf die SIM-Karte aufgeladen hat.
- Bei einem „Postpaid-Vertrag“ sind jeweils nach Ablauf eines Monats die Telefongebühren zu zahlen, die in diesem Monat angefallen sind. Falls außerdem ein neues Handy Gegenstand des Vertrages ist, kommt die Monatsrate für dieses Handy dazu. Selbstverständlich kann der Vertrag auch so ausgestaltet sein, dass lediglich „Gebühreneinheiten“ anfallen, bei denen das Handy mit einkalkuliert ist. Dies führt zu dem Eindruck, dass das neue Handy für sich gesehen scheinbar nichts kostet („Handy zum Nulltarif“).
Bei einem Postpaid-Vertrag trägt der Telefonanbieter das Risiko, dass sein Kunde möglicherweise nicht zahlen kann oder auch nicht zahlen will. Dann muss der Anbieter sehen, wie er zu seinem Geld kommt. Aus diesem Grund ist die Frage der Bonität des Kunden für ihn wichtig.
Die Datenschutzhinweise waren eindeutig
Telefonanbieter verwenden durchweg Datenschutzhinweise. Sie bringen deutlich zum Ausdruck, dass der Abschluss eines „Postpaid-Vertrages“ der SCHUFA gemeldet wird. An sie übermittelt werden dabei üblicherweise der Name, das Geburtsdatum und die IBAN des Telefonkunden, ferner die Tatsache, dass ein Mobilfunkvertrag zustande gekommen ist. Solche Datenschutzhinweise verwendete der Telefonanbieter auch in unserem Fall. Sie trugen die Überschrift „Datenübermittlung an die SCHUFA“
Gegenstand der Meldung sind „Positivdaten“
Viele assoziieren mit dem Stichwort „SCHUFA Meldung“ lediglich die Mitteilung von negativen Verhaltensweisen wie Zahlungsversäumnissen und dergleichen an die SCHUFA. Das wäre die Mitteilung von „Negativdaten“. Hier geht es dagegen um die Mitteilung von „Positivdaten“. Denn der Abschluss eines Vertrages ist selbstverständlich nichts Negatives, sondern etwas Positives. Das gilt besonders aus der Sicht des Telefonanbieters. Schließlich will er Geschäfte machen und dies geht nur durch den Abschluss von Verträgen.
Eine Einwilligung liegt nicht vor
Wenn ein Kunde solche Datenschutzhinweise zur Kenntnis nimmt und dann einen Vertrag mit dem Telefonanbieter anschließt, liegt darin keine Einwilligung in welche Datenübermittlungen auch immer. Nur weil jemand die Absicht einer Datenübermittlung durch den Telefonanbieter erkennen kann, hat er in diese Datenübermittlung nicht eingewilligt.
Rechtsgrund könnte eine Interessenabwägung sein
Dies führt zu der Frage, ob es überhaupt eine Rechtsgrundlage gibt, auf die der Telefonanbieter eine Übermittlung von Positivdaten an die SCHUFA schützen kann. Die Frage ist in der Rechtsliteratur und in der Rechtsprechung seit Jahren hochgradig umstritten. In Betracht kommt eine Interessenabwägung gemäß Art. 6 Abs. 1 Unterabsatz 1 Buchstabe f DSGVO. Demnach darf ein Telefonanbieter eine solche Datenübermittlung vornehmen, wenn drei Voraussetzungen erfüllt sind:
- Er muss sich auf berechtigte Interessen berufen können, zu deren Wahrung die Übermittlung an die SCHUFA erforderlich ist.
- Den Interessen des Telefonanbieters sind die Interessen und Grundrechte des neu gewonnenen Kunden gegenüberzustellen.
- Den Ausschlag gibt schließlich abschließend eine Abwägung der Interessen des Telefonanbieters einerseits und der Interessen des Kunden andererseits.
Das OLG Nürnberg wendet die drei Kriterien an
Dem OLG Nürnberg war die eben dargestellte rechtliche Streitfrage natürlich bekannt. Um sie für den konkreten Fall zu entscheiden, prüft es die drei Voraussetzungen der Reihe nach sehr ausführlich.
Das Stichwort lautet Betrugsprävention
- Der Telefonanbieter kann sich auf das Interesse „Verhinderung von Betrug“ berufen. Auszugehen ist dabei von Erwägungsgrund 47 Satz 6 zur DSGVO. Demnach stellt die „Verarbeitung personenbezogener Daten im für die Verhinderung von Betrug im unbedingt erforderlichen Umfang“ ausdrücklich ein berechtigtes Interesse dar.
- Bei „Postpaid-Verträgen“ gibt es erfahrungsgemäß immer wieder Fälle, in denen potenzielle Kunden in kurzer Zeit unerklärlich viele Mobilfunkverträge abschließen. Dabei verfolgen sie die kriminelle Absicht, schnell viele teure Handys in die Hand zu bekommen, um dann unterzutauchen.
- Selbstverständlich bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass der konkrete Kunde in unserem Fall solche Absichten verfolgen würde. Wären solche Absichten erkennbar gewesen, würde der Telefonanbieter mit ihm von vornherein keinen Vertrag schließen.
- Das Problem dabei: Solche bösen Absichten sieht man jemandem durchweg nicht an. Sollten sie jedoch später zutage treten, wäre es zu spät.
- Deshalb hat der Telefonanbieter ein Interesse daran, für alle von ihm geschlossenen Verträge eine „positive Meldung“ an die SCHUFA vorzunehmen. Dabei geht es ihm um die Vermeidung künftiger Betrugsfälle.
Der Kunde wird in keiner Weise „überrumpelt“
- Der Kunde des Telefonanbieters wiederum konnte aus den Vertragsunterlagen erkennen, dass eine Datenübermittlung an die SCHUFA erfolgen soll. Er musste deshalb vernünftigerweise nach einem solchen Vorgehen rechnen.
- Dies ist rechtlich relevant, weil gemäß Erwägungsgrund 47 Satz 1 zur DSGVO bei der Interessenabwägung die „vernünftigen Erwartungen der betroffenen Person“ zu berücksichtigen sind.
Die Abwägung geht zugunsten des Telefonanbieters aus
Die Abwägung der beiderseitigen Interessen geht zugunsten des Telefonanbieters aus:
- Dem Telefonanbieter steht kein milderes Mittel als die Datenübermittlungen die SCHUFA zur Verfügung. Er ist darauf angewiesen, zur Betrugsprävention („fraud prevention“) an einem solidarischen Betrugspräventionssystem wie der SCHUFA teilzunehmen.
- Die Daten des Kunden, gegen die SCHUFA übermittelt werden, sind in keiner Weise sensibel. Sie beschränken sich im Kern auf die Information, dass der Kunde einen „Postpaid-Mobilfunkvertrag“ abgeschlossen hat.
- Das ist ein so alltägliches Verhalten, dass es keinerlei Schlussfolgerungen auf persönliche Vorlieben des Kunden oder auf sein generelles Konsumverhalten zuließe.
Das OLG Nürnberg empfahl die Klagerücknahme
Der konkrete Fall, den wir dargestellt haben, war vom Oberlandesgericht Nürnberg zu entscheiden. Die Überlegungen des Gerichts sind enthalten in einem Hinweisbeschluss vom 17.7.2025-16 U540/25, der hier abzurufen ist: OLG Nürnberg, Hinweisbeschluss v. 17.07.2025 – 16 U 540/25 – Bürgerservice. Durch diesen Hinweisbeschluss informierte das Gericht den Kunden als Kläger und den Telefonanbieter als Beklagten darüber, dass es der Klage des Kunden keine Aussicht auf Erfolg gibt.
Das soll dem Kläger die Möglichkeit geben, die voraussichtlich erfolglose Klage zurückzunehmen. Das ist für ihn billiger, als eine aussichtslose Klage bis zu einem Urteil durchzufechten. Immerhin stellte sich der Kläger aufgrund der aus seiner Sicht rechtswidrigen Datenübermittlung an die SCHUFA einen Schadensersatz in Höhe von mehreren 1000 € vor. Eine Klageabweisung wäre deshalb im Hinblick auf Gerichtskosten und Anwaltskosten voraussichtlich nicht ganz billig.
Der BGH argumentiert wie das OLG Nürnberg
Völlig unabhängig von diesem konkreten Verfahren hatte der Bundesgerichtshof (BGH) über die Klage eines Verbraucherverbandes gegen einen Telefonanbieter zu entscheiden. Der Verbraucherverband wollte mit seiner Klage vor allem erreichen, dass der BGH die oben erwähnten Klauseln zur Datenübermittlung an die SCHUFA in den Datenschutzhinweisen für rechtswidrig erklärt.
Daraus wurde indessen nichts. Der BGH stellte sehr ausführliche rechtliche Überlegungen an, ob eine solche Übermittlung von Positivdaten an die SCHUFA rechtmäßig sein kann. Dabei verwendete er strukturell dieselbe Argumentation wie das Oberlandesgericht Nürnberg. Ergebnis: „Die Übermittlung personenbezogener Positivdaten … Seitens eines Mobilfunkanbieters an eine Wirtschaftsauskunftei [wie die Schufa] kann gemäß Art. 6 Abs. 1 Unterabs.1 Buchstabe f DSGVO gerechtfertigt sein.“
Er musste aber vorsichtiger formulieren
Das Wörtchen „kann“ darf dabei nicht irritieren. Denn der BGH hatte nicht über einen konkreten Einzelfall zu entscheiden, sondern über die rechtliche Zulässigkeit von Datenschutzhinweisen, die ein Telefonanbieter in einen Vertrag einbezieht. Deshalb konnte er keine „Pauschalerlaubnis“ verkünden. Je nach den konkreten Umständen ist es nämlich immer denkbar, dass die Interessenabwägung in einem Einzelfall anders ausgeht.
Das Urteil des BGH vom 14.10.2025 – VI ZR 431/24 ist hier auf der Seite des BGH abzurufen: Urteil des VI. Zivilsenats vom 14.10.2025 – VI ZR 431/24 –.