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15. Oktober 2025

Keine Auskunft über anonyme Anzeige

Das Finanzamt muss bei einer anonyme Anzeige keine Auskunft über den Anzeigenerstatter geben.
Bild: soleg / iStock / Getty Images Plus
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Weigerung des Finanzamts
Beim Finanzamt geht eine anonyme Anzeige ein. Sie führt zu einer „Kassen-Nachschau“ des Finanzamts vor Ort. Steuerliche Konsequenzen ergeben sich daraus nicht. Der betroffene Steuerpflichtige möchte wissen, was in der Anzeige stand. Muss das Finanzamt darüber Auskunft erteilen?

Ein Gastwirt war außer sich. Wieder einmal hatte ihn jemand anonym beim Finanzamt angeschwärzt. Dieses Mal führte das zu einer „Kassen-Nachschau“ des Finanzamts vor Ort bei ihm in der Gaststätte. Außer ein paar formalen Verstößen ergab sich dabei nichts. Nun möchte der Gastwirt herausfinden, wer der „Denunziant“ war.

Der Gastwirt erhält keine Auskunft

Der Gastwirt verlangt, dass ihm das Finanzamt eine Kopie der anonymen Anzeige überlässt oder ihm zumindest mitteilt, was in ihr steht. Doch das Finanzamt stellt sich quer und verweigert ihm beides. Da sich Gastwirt und Finanzamt nicht einig wurden, erhob der Gastwirt Klage beim zuständigen Finanzgericht. Das Finanzgericht gab jedoch dem Finanzamt Recht.

Der Bundesfinanzhof bestätigt dieses Ergebnis

Gegen dieses Ergebnis wehrt sich der Gastwirt bei der nächsten und letzten Instanz, dem Bundesfinanzhof. Doch auch der Bundesfinanzhof zeigt ihm die kalte Schulter. Nach seiner Auffassung hat der Gastwirt unter keinem rechtlichen Aspekt einen Anspruch darauf, den konkreten Inhalt der anonymen Anzeige zu erfahren oder gar eine Kopie der Anzeige zu erhalten.

Der Gastwirt hatte gehofft, Einsicht in die Akten des Finanzamtes nehmen zu können und so an die gewünschten Informationen zu kommen. Dabei war ihm klar, dass für eine solche Akteneinsicht enge Voraussetzungen gelten. Deshalb berief er sich außerdem auf einen Auskunftsanspruch nach Art. 15 DSGVO. Doch nach Auffassung des Bundesfinanzhofs führt keiner der beiden Wege zum Erfolg.

Akteneinsicht beim Finanzamt ist die Ausnahme

Maßgebliche Rechtsgrundlage für die tägliche Arbeit der Finanzbehörden ist die Abgabenordnung (AO). Sie enthält keine Regelung, die Steuerpflichtigen einen Anspruch auf Akteneinsicht geben würde. Das ist ungewöhnlich. Bei anderen Behörden gibt es regelmäßig einen gesetzlichen Anspruch auf Akteneinsicht. Wer etwa seine Fahrerlaubnis zu verlieren droht, hat Anspruch auf Einsicht in die vollständigen Unterlagen der Führerscheinbehörde zu seinem Fall.

Immerhin hat ein Steuerpflichtiger aber einen Anspruch darauf, dass die für ihn zuständige Finanzbehörde pflichtgemäß darüber entscheidet, ob sie ihm im Rahmen ihres Ermessens im Einzelfall doch Akteneinsicht gewährt. Diesen Anspruch auf „ermessensfehlerfreie Entscheidung“ leiten die Gerichte unmittelbar aus dem Rechtsstaatsprinzip des Grundgesetzes ab.

Das Finanzamt hat ein weites Ermessen

Der geschilderte Anspruch wirkt stärker, als er in der Realität ist. Vom Ansatz her ist das Finanzamt nämlich frei und kann alle möglichen Kriterien in seine Entscheidung einfließen lassen. Nur ausnahmsweise können die Finanzgerichte ein Finanzamt zur Gewährung von Akteneinsicht verpflichten.

Das wäre dann der Fall, wenn jede andere Entscheidung als die Gewährung von Akteneinsicht als fehlerhaft anzusehen wäre. Die Rechtsprechung spricht bildhaft davon, dass eine „Ermessensreduzierung auf Null“ vorliegen muss. Mit anderen Worten: Die Ablehnung der Akteneinsicht müsste als mehr oder weniger willkürlich anzusehen sein.

Das Steuergeheimnis blockiert die Akteneinsicht

An dieser Stelle kommt das Steuergeheimnis ins Spiel, das in § 30 Abs.1 AO verankert ist. Es schützt keineswegs nur den Steuerpflichtigen selbst. Vielmehr erstreckt sich das Steuergeheimnis auch auf die Identität eines Anzeigenerstatters. Außerdem erfasst es auch den Inhalt einer Anzeige.

Der Bundesfinanzhof sagt unverblümt, warum er das so sieht. Nach seiner Auffassung hat das Steuergeheimnis den Zweck, „die Steuerquellen möglichst vollständig zu erschließen und die Auskunftsbereitschaft Dritter zu erhalten“. Im Klartext: Das Steuergeheimnis soll durchaus die Bereitschaft zu Anzeigen beim Finanzamt fördern, auch die Bereitschaft zu anonymen Anzeigen.

Auf der Basis dieser Überlegungen kommt der Bundesgerichtshof zu einem klaren Ergebnis: „Gerade wegen der Beachtung des Steuergeheimnisses ist regelmäßig davon auszugehen, dass die Ablehnung einer Akteneinsicht nicht fehlerhaft ist.“

Hier liegt kein Ausnahmefall vor

Ausnahmsweise bejaht der Bundesfinanzhof einen Anspruch auf Akteneinsicht, wenn sich ein Steuerpflichtiger als Folge einer anonymen Anzeige zu Unrecht strafrechtlichen Ermittlungen ausgesetzt sieht. Das war vorliegend jedoch nicht der Fall. Im Gegenteil:

  • Die anonyme Anzeige hat beim Gastwirt weder zu unmittelbaren Nachteilen noch zu einem steuerlichen Schaden geführt.
  • Die Kassen-Nachschau, die das Finanzamt vorgenommen hat, ist kein relevanter Nachteil. Denn eine solche Kassen-Nachschau kann das Finanzamt jederzeit ohne konkreten Anlass durchführen, um die „Ordnungsmäßigkeit der Aufzeichnungen und Buchungen von Kasseneinnahmen und Kassenausgaben“ zu überprüfen (§ 146 b AO).
  • Zu bedenken ist ferner, dass die Kassen-Nachschau immerhin einige formale Kassenführungs- und Aufzeichnungsmängel aufgedeckt hat.
  • Schließlich ist zu berücksichtigen, dass die Finanzämter auf die Ermittlung von „Insider-Kenntnissen“ angewiesen sind. „Diese Erkenntnisquelle würde versiegen, wenn der Anzeigenerstatter mit einer Preisgabe an den Angezeigten rechnen müsste“, so der Bundesfinanzhof. Finanzämter müssen deshalb nicht riskieren, dass eine Akteneinsicht möglicherweise Rückschlüsse auf den Verfasser einer anonymen Anzeige zulässt.

Die DSGVO ist anwendbar

Der Bundesfinanzhof stimmt der Argumentation des Gastwirts zu, dass die DSGVO in seinem Fall anwendbar ist:

  • Die DSGVO erfasst auch personenbezogene Daten, die Bestandteil von Steuerakten der Finanzverwaltung sind.
  • Ein anonymes Schreiben an ein Finanzamt wiederum ist „in Gänze jedenfalls als personenbezogene Information des Verfassers der Anzeige zu werten“.
  • Gleichzeitig enthält ein solches anonymes Anschreiben regelmäßig personenbezogene Informationen über den Steuerpflichtigen, nämlich Informationen über sein angebliches steuerliches Verhalten.

Dennoch besteht kein DSGVO-Auskunftsanspruch

Gleichwohl lehnt der Bundesfinanzhof einen Auskunftsanspruch des Gastwirts nach Art. 15 DSGVO ab. Denn die Abgabenordnung enthält eine Ausnahme vom Auskunftsanspruch nach Art. 15 DSGVO. Sie ist so konstruiert:

  • Soweit das Steuergeheimnis reicht, muss der Steuerpflichtige nicht darüber informiert werden, dass das Finanzamt Daten über ihn verarbeitet (siehe § 32 a Abs.1 AO und § 32 b Abs. 1 und 2 AO).
  • Soweit keine Informationspflicht besteht, ist zusätzlich noch der Auskunftsanspruch nach Art. 15 DSGVO ausgeschlossen (siehe § 32 c Abs.1 AO).
  • Im Ergebnis bedeutet dies: Soweit das Steuergeheimnis reicht, gibt es keinen Auskunftsanspruch nach Art. 15 DSGVO.

Dieses Ergebnis kann auf den ersten Blick irritieren. Doch ist zu bedenken, dass Art. 23 DSGVO solche Ausnahmen vom Auskunftsanspruch durch nationale Rechtsvorschriften unter bestimmten Voraussetzungen zulässt. Diese Vorgaben sind nach Auffassung des Bundesfinanzhofs eingehalten.

Finanzverwaltung als Geheimverwaltung?

Auch wenn sich wohl jede Finanzbehörde diese Aussage verbitten würde: Auf Betroffene wirkt es so, dass die Finanzverwaltung weitgehend als Geheimverwaltung agiert. Erst wenn ein Finanzamt als Ergebnis seiner Tätigkeit Steuerzahlungen festsetzt, wird für den Betroffenen erkennbar, dass sie möglicherweise umfangreich hinter seinem Rücken ermittelt hat. Gegen die Steuerfestsetzung stehen dann selbstverständlich die dafür vorgesehenen Rechtsbehelfe zur Verfügung.

Hier finden Sie das Urteil

Das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 15.7.2025 ist bei Eingabe des Aktenzeichens IX R 25/24 im Internet leicht zu finden, beispielsweise hier auf der offiziellen Internetseite des Bundesfinanzhofs: https://www.bundesfinanzhof.de/de/entscheidung/entscheidungen-online/detail/STRE202520257/.

Hinweis für die zeitsparende Lektüre: Die Kernausführungen zum Ausschluss des Anspruchs auf Akteneinsicht sind in den Rn. 42-53 enthalten, die Kernausführungen zum Ausschluss des Anspruchs auf Auskunft gemäß Art. 15 DSGVO in den Rn. 54-64.

Dr. Eugen Ehmann

Dr. Eugen Ehmann
Verfasst von
Dr. Eugen Ehmann
Dr. Eugen Ehmann
Dr. Eugen Ehmann ist ausgewiesener Fachmann auf dem Gebiet des Datenschutzes in Unternehmen & Behörden. Er ist Herausgeber eines renommierten DSGVO-Kommentars und Autor zahlreicher Beiträge in der Datenschutz PRAXIS sowie in vielen weiteren Datenschutz-Veröffentlichungen. Außerdem moderiert er seit 2003 die IDACON , den renommierten Datenschutz-Kongress.

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