Ratgeber
/ 20. November 2023

Einstellungsuntersuchung: Das ist erlaubt!

Blutabnahme, Urintests und andere Einstellungsuntersuchungen haben in der Vergangenheit einige Großkonzerne, Rundfunkanstalten und öffentliche Verwaltungen in die Schlagzeilen gebracht. Ihr Vorgehen stieß bei Datenschützern, Gewerkschaften und Arbeitsrechtlern auf harsche Kritik. Trotzdem hat eine Einstellungsuntersuchung im gewissen Umfang ihre Berechtigung. In manchen Fällen ist sie sogar Pflicht.

Keine Einstellung ohne Einstellungsuntersuchung?

„Sie bekommen den Job, aber bevor wir den Vertrag fertig machen können, müssen Sie noch zu unserem Betriebsarzt“, erklärt der Bereichsleiter dem neuen Empfangsmitarbeiter.

Dem Termin beim Betriebsarzt sieht er mit gemischten Gefühlen entgegen. Denn scheinbar ist die Ausfertigung des Anstellungsvertrags davon abhängig, wie die Einstellungsuntersuchung ausfällt. Andernfalls hätte ihn der Bereichsleiter doch zuerst zum Personalleiter geschickt, um die Vertrags-Formalitäten zu klären.

Nicht nur Arbeitgeber-Willkür

Tatsächlich drängen nicht wenige Unternehmen auf solche Einstellungsuntersuchungen. Und viele Bewerber trauen sich nicht, die Gründe zu erfragen. Denn sie fürchten, sonst keine Anstellung zu bekommen.

Was auf den ersten Blick nach Arbeitgeber-Willkür aussieht, hat in gewissem Rahmen seinen Sinn, insbesondere aus der Sicht des Arbeitsschutzes und der Gesundheitsprävention.

Neben dem Arbeitsschutz spielt aber auch der Datenschutz eine entscheidende Rolle bei der Zulässigkeit und beim Umfang von Einstellungsuntersuchungen.

Was sagt der Arbeitsschutz? Eine Frage der gesundheitlichen Eignung

Jede berufliche Tätigkeit stellt gewisse Anforderungen an die Leistungsfähigkeit eines Arbeitnehmers:

  • Einige müssen längere Zeit stehen können,
  • andere heben schwere Lasten,
  • wieder andere sitzen für viele Stunden am Steuer eines Fahrzeugs.

In bestimmten Fällen ist deshalb eine Einstellungsuntersuchung nicht nur ein besonderer Wunsch des zukünftigen Arbeitgebers, sondern eine Verpflichtung.

Das ist grundsätzlich der Fall, wenn die Ausübung einer Tätigkeit mit der Sicherheit und Gesundheit anderer Personen in Verbindung steht. Wenn also gesundheitliche Probleme, die während der Tätigkeit auftreten, andere Personen gefährden könnten.

Dies gilt zum Beispiel bei der Personenbeförderung, etwa bei Busfahrern, Lokführern oder Piloten.

Untersuchungsangebot, aber keine Pflicht

Wer einen Bildschirmarbeitsplatz in einem normalen Büro hat, wird in aller Regel keine anderen Personen gefährden. Allerdings könnte der Arbeitsplatz die eigenen Augen belasten. Daher muss der Arbeitgeber eine Augenuntersuchung anbieten.

Die Teilnahme an der Untersuchung ist jedoch für die betroffenen Mitarbeitenden freiwillig.

Wann ist die Einstellungsuntersuchung für die Tätigkeit entscheidend?

Ob eine Einstellungsuntersuchung sinnvoll und zulässig ist, bestimmt sich danach, ob die gesundheitliche Eignung für die betreffende Stelle relevant ist.

So wird eine hohe Belastbarkeit der Beine bei einer vorwiegend sitzenden Tätigkeit keine große Rolle spielen. Eine entsprechende Untersuchung ist also weder sinnvoll noch ohne Einwilligung des Betroffenen zulässig.

Nachfragen zur Gesundheit und gesundheitliche Untersuchungen, die nicht im Zusammenhang mit der Stelle stehen, können zukünftige Arbeitnehmer und Bewerber ablehnen. Auch Nachforschungen zur Gesundheitssituation in der Familie des Bewerbers sind nicht zulässig.

In der Praxis werden viele trotzdem der Einstellungsuntersuchung und der Befragung zustimmen.

Was umfasst die Auskunftspflicht?

Gesundheitsbezogene Fragen, die mit der Tätigkeit und den Mitarbeitenden selbst zu tun haben, müssen in aller Regel im bestimmtem Umfang wahrheitsgemäß beantwortet werden.

Dazu gehören Fragen

  • zur gesundheitlichen Eignung für die angestrebte Position (z.B. Liegt eine Krankheit vor, die die Ausübung dauerhaft oder wiederholt einschränkt?),
  • zur Gefährdung von anderen Mitarbeitenden oder Kunden (wie ansteckende Krankheiten) oder
  • zu gesundheitlichen Faktoren, die innerhalb der nächsten sechs Monate zur Arbeitsunfähigkeit führen könnten (wie eine schwierige Operation; aber keine Fragen zur Schwangerschaft).

Was sagt der Datenschutz zur Einstellungsuntersuchung?

Einstellungsuntersuchungen sind ein wichtiger Teil der Gesundheitsfürsorge am Arbeitsplatz. Sie dürfen aber den gesetzlichen Rahmen nicht überschreiten.

Hier sollten Arbeitsschützer, Mitarbeitervertretung und Datenschutzbeauftragte gemeinsam darauf hinwirken, die positiven Ziele dieser Untersuchungen zu erreichen, ohne die Mitarbeitende zu benachteiligen.

Wichtig
Ärztliche Schweigepflicht

Festzuhalten bleibt zum einen: Die konkreten Untersuchungs-Ergebnisse unterliegen der ärztlichen Schweigepflicht.

Nur die Eignung selbst, nicht die genaue Diagnose darf der Betriebsarzt dem zukünftigen Arbeitgeber weitergeben.

DSGVO und Beschäftigtendaten

Zum anderen finden sich Vorgaben, wie Verantwortliche mit den Daten umzugehen haben, in der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO / GDPR) . Diese ist auch für Beschäftigtendaten anzuwenden.

Dabei gilt, dass Bewerberinnen und Bewerber – und damit die Kandidaten für eine Einstellungsuntersuchung – als Beschäftigte anzusehen sind.

Was gilt für die Datenverarbeitung im Beschäftigungskontext?

Artikel 88 DSGVO (Datenverarbeitung im Beschäftigungskontext) enthält eine Öffnungsklausel. Danach können die Mitgliedstaaten spezifischere Vorschriften im Beschäftigungskontext vorsehen.

Diese Vorschriften müssen angemessene und besondere Maßnahmen umfassen, um

die Grundrechte der betroffenen Person, insbesondere im Hinblick auf die Transparenz der Verarbeitung, die Übermittlung personenbezogener Daten innerhalb einer Unternehmensgruppe oder einer Gruppe von Unternehmen, die eine gemeinsame Wirtschaftstätigkeit ausüben, und die Überwachungssysteme am Arbeitsplatz.

Die bisherige Regelung im BDSG (Bundesdatenschutzgesetz) zu den Datenverarbeitungen für die Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses (§ 26 Abs. 1 Satz 1 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) für Unternehmen) ist jedoch nicht eine solche spezifischere Regelung, für die die genannte Öffnungsklausel genutzt werden könnte: Der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschied mit Urteil vom 30. März 2023 – C-34/21 -, dass Vorschriften, welche die Voraussetzungen des Art. 88 Abs. 1 und 2 DSGVO nicht beachten, nicht auf die Öffnungsklausel des Art. 88 Abs. 1 DSGVO gestützt werden können.

Es gibt jedoch eine Gesetzesinitiative zur Erstellung eines Beschäftigtendatenschutzgesetzes, das den Anforderungen der neuen EuGH-Rechtsprechung entsprechen soll. Bis ein solches Beschäftigtendatenschutzgesetz vorliegt, richtet sich auch die Datenverarbeitung von Beschäftigtendaten nach den generellen Vorgaben der DSGVO, insbesondere Art. 6 Abs. 1 DSGVO (Rechtmäßigkeit der Verarbeitung).

Einstellungsuntersuchung erforderlich?

Die DSGVO besagt: Die Verarbeitung ist rechtmäßig, wenn (…) die Verarbeitung für die Erfüllung eines Vertrags, dessen Vertragspartei die betroffene Person ist, oder zur Durchführung vorvertraglicher Maßnahmen erforderlich ist, die auf Anfrage der betroffenen Person erfolgen.

Damit ist wie im Arbeitsschutz die Prüfung der Erforderlichkeit einer Einstellungsuntersuchung notwendig.

Ist Einwilligung eine Option?

Die Verarbeitung personenbezogener Daten von Beschäftigten kann grundsätzlich auch auf der Grundlage einer Einwilligung erfolgten, wie Art. 6 DSGVO zu entnehmen ist: Die Verarbeitung ist rechtmäßig, wenn (…) die betroffene Person ihre Einwilligung zu der Verarbeitung der sie betreffenden personenbezogenen Daten für einen oder mehrere bestimmte Zwecke gegeben hat.

Dabei sind für die Beurteilung der Freiwilligkeit der Einwilligung (Art. 7 DSGVO Bedingungen für die Einwilligung) zu berücksichtigen

  • die Abhängigkeit der beschäftigten Person, die im Beschäftigungsverhältnis besteht, sowie
  • die Umstände, unter denen der Bewerber / zukünftige Mitarbeitende die Einwilligung erteilt hat.

Freiwilligkeit kann etwa vorliegen, wenn

  • sich für die beschäftigte Person ein rechtlicher oder wirtschaftlicher Vorteil ergibt oder
  • Arbeitgeber und beschäftigte Person gleichgelagerte Interessen verfolgen.

In einem Bewerbungsverfahren dürfte die Einwilligung allerdings kaum freiwillig erfolgen. Diese Variante fällt als Rechtsgrundlage also eher aus.

Was gilt für besondere Kategorien von Daten?

Gesundheitsdaten gehören zu den besonderen Kategorien personenbezogener Daten. Die Verarbeitung solcher Daten für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses ist zulässig, wenn

  • sie zur Ausübung von Rechten oder
  • zur Erfüllung rechtlicher Pflichten aus dem Arbeitsrecht, dem Recht der sozialen Sicherheit und des Sozialschutzes erforderlich ist und
  • kein Grund zu der Annahme besteht, dass das schutzwürdige Interesse der betroffenen Person an dem Ausschluss der Verarbeitung überwiegt.

Genetische Daten und biometrischen Daten darf der Arbeitgeber zum Beispiel verarbeiten, um eine Person eindeutig zu identifizieren (Artikel 9 DSGVO).

Der Datenschutz steht also Einstellungsuntersuchungen nicht im Wege, sofern sie beispielsweise erforderlich sind, um Pflichten aus dem Arbeitsschutz zu erfüllen.

Oliver Schonschek