Urteil
/ 15. April 2024

Geschäftsführer-Daten im Handelsregister

Geburtsdatum und Wohnort von GmbH-Geschäftsführern gehören ins Handelsregister. Dabei bleibt es trotz DSGVO. So die klare Ansage des Bundesgerichtshofs (BGH). Zur Begründung beruft er sich umfangreich auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH). Das macht die Entscheidung des BGH grundsätzlich bedeutsam.

➧ Sprengstoff ist immer etwas Heikles

Umgang mit Sprengstoff ist nicht jedermanns Sache. Für manche Menschen ist das aber der wesentliche Inhalt ihres Berufs. Verständlich, dass solche Personen für sich ein gewisses Risiko sehen, Opfer von Verbrechern zu werden. Denn für manche Kriminelle ist Sprengstoff eine hochinteressante Sache. Nur zu gern würden sie ihn in die Hände bekommen. Das wäre ihnen allemal ein Raub oder eine Entführung wert.

➧ Ein Geschäftsführer fühlt sich gefährdet

So argumentierte der Geschäftsführer einer GmbH, der von Berufs wegen mit Sprengstoff umgehen muss. Er sieht für sich persönlich das Risiko, Zielscheibe von Kriminellen zu werden. Dennoch trug das zuständige Registergericht seinen Namen, sein Geburtsdatum und den bei der Anmeldung zum Handelsregister angegebenen Wohnort in das Handelsregister ein. Damit waren diese Daten allgemein öffentlich verfügbar. Der Geschäftsführer fordert, dass sein Geburtsdatum und sein Wohnort aus dem Handelsregister entfernt werden. Dies sei zu seinem persönlichen Schutz notwendig.

➧ Das Registergericht bleibt aber unbeeindruckt

Der Geschäftsführer meinte, für seine Argumentation einen regelrechten Joker in der Hand zu haben. Denn das zuständige Einwohnermeldeamt hatte für ihn längst eine Auskunftssperre wegen Gefährdung eingetragen, die Auskünfte aus dem Melderegister abblocken kann. Dies ist im Bundesmeldegesetz (BMG) für den Fall vorgesehen, dass durch eine Melderegisterauskunft eine Gefahr für Leben, Gesundheit, persönliche Freiheit oder ähnliche schutzwürdige Interessen eines Einwohners entstehen kann (§ 51 BMG). Doch auch dies beeindruckte das Registergericht nicht. Es blieb dabei, dass der Handelsregistereintrag das Geburtsdatum und den Wohnort des GmbH-Geschäftsführers enthalten muss.

➧ Die DSGVO ist eindeutig anwendbar

Dass die DSGVO im vorliegenden Fall vom Prinzip her anwendbar ist, liegt für den BGH auf der Hand. Denn bei Geburtsdatum und Wohnort des Geschäftsführers handelt es sich um personenbezogene Daten. Diese Daten verarbeitet das Registergericht. Eine Verarbeitung erfolgt dabei bereits durch die Eintragung und Speicherung dieser Daten im Handelsregister. Hinzu kommt, dass die Einsichtnahme in das Handelsregister durch Interessenten ohne Einschränkungen gestattet ist (siehe §§ 9, 10 Absatz 2 Handelsgesetzbuch). Auch darin liegt eine Verarbeitung dieser Daten durch das Registergericht.

➧ Der BGH sieht aber keinen Anspruch auf Löschung der Daten

Art. 17 DSGVO gibt betroffenen Personen unter bestimmten Voraussetzungen das Recht, die Löschung von personenbezogenen Daten zu verlangen. Allerdings schließt die DSGVO einen solchen Anspruch für bestimmte Fallkonstellationen generell aus. Hier setzt der BGH an. Ein Löschungsanspruch besteht nämlich nicht, wenn die Verarbeitung der Daten erforderlich ist, um eine rechtliche Verpflichtung zu erfüllen, die sich aus dem Recht des jeweiligen Mitgliedstaats ergibt (Art. 17 Abs. 3 Buchstabe b DSGVO). Den Voraussetzungen dieser Ausnahme widmet sich der BGH bis ins Detail.

➧ Das Geburtsdatum im Handelsregister ist so vorgesehen

Da Art. 17 Abs. 3 Buchstabe b DSGVO auf das nationale Recht des jeweiligen Mitgliedstaates verweist, schildert der BGH zunächst die Vorgaben des deutschen Rechts für das Geburtsdatum. Hier tut er sich relativ leicht. Denn es besteht die gesetzliche Pflicht, eine GmbH zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden (§ 7 Abs.1 GmbH-Gesetz). Dabei ist ausdrücklich auch das Geburtsdatum des Geschäftsführers anzugeben (§ 24 Abs:1 Handelsregisterverordnung). Damit ist eine entsprechende Vorgabe des deutschen nationalen Rechts gegeben.

➧ Deutlich schwieriger wird es beim Wohnort

Eine entsprechende ausdrückliche Regelung für die Angabe des Wohnorts gibt es nicht. Nach Auffassung des BGH ist es jedoch gewohnheitsrechtlich verankert, dass der Wohnort des Geschäftsführers aus dem Handelsregister zu ersehen sein muss. Dabei betont er, dass Gewohnheitsrecht als Rechtsquelle gleichwertig neben dem Gesetzesrecht steht. Dabei beruft er sich auf eine entsprechende Praxis der Registergerichte jedenfalls seit dem Jahr 1898. Sie ist damit älter als das BGB, das am 1.1.1900 in Kraft getreten ist. Seither sei nie bestritten worden, dass der Wohnort des Geschäftsführers anzugeben ist. Dies werde seither ständig so gehandhabt und allgemein als verbindlich anerkannt. Kritische Stimmen hierzu in Rechtsprechung oder Literatur konnte der BGH nicht feststellen.

➧ Die DSGVO spricht von „Recht“, nicht von „Gesetz“

Dass sich der BGH auf eine gewohnheitsrechtlich Handhabung beruft, wird manche Datenschützer irritieren. Denn sie sind es gewohnt, dass für die Verarbeitung von personenbezogenen Daten ausdrückliche Normen in Gesetzen vorhanden sind, allenfalls noch in Verordnungen, die auf der Basis von Gesetzen erlassen wurden. Dem BGH ist jedoch zuzugeben, dass Art. 17 Abs. 3 Buchstabe b DSGVO nicht etwa von rechtlichen Verpflichtungen spricht, die sich aus gesetzlichen Vorgaben der Mitgliedstaaten ergeben. Vielmehr verwendet die DSGVO dort die Formulierung „Recht … der Mitgliedstaaten“. Damit ist jedenfalls vom Ansatz her auch Raum für die Berücksichtigung von Gewohnheitsrecht.

➧ Die Angaben dienen einem legitimen Zweck

Die bisher dargestellte Argumentation des BGH wird dadurch gestützt, dass die Angabe von Geburtsdatum und Wohnort eines GmbH-Geschäftsführers einem öffentlichen Interesse dient. Auf diesen Aspekt stellt die DSGVO für die Rechtmäßigkeit einer Verarbeitung selbst ausdrücklich ab (siehe Art. 6 Abs. 3 Sätze 2 und 4 DSGVO). Der Rechtsverkehr hat ein schützenswertes Interesse daran, sich aus dem Handelsregister zuverlässig über Name, Geburtsdatum und Wohnort eines GmbH-Geschäftsführers informieren zu können. Denn der Geschäftsführer ist derjenige, der zur Vertretung der GmbH nach außen berechtigt ist. Deshalb sind Grundinformationen über ihn notwendig.

➧ Die Zugänglichkeit der Angaben im Internet ist geboten

Vor Inkrafttreten der DSGVO hatte der EuGH schon einmal einen ähnlichen Fall zu beurteilen. Damals akzeptierte der EuGH, dass die „Personalien“ eines GmbH-Geschäftsführers für die Öffentlichkeit zugänglich sein müssen (siehe EuGH, Urteil vom 9.3.2017 – C-389/15, Fall Salvatore Manni; bei Eingabe des Aktenzeichens problemlos im Internet abrufbar). Das gilt laut BGH unverändert: „Das Ziel, jeder interessierten Person die Möglichkeit zu geben, sich möglichst … ohne zeitliche Verzögerung durch eine zuverlässige Informationsquelle Kenntnis von den wesentlichen Angaben über die Gründung der Handelsgesellschaften und über die mit ihrer Vertretung betrauten Personen zu verschaffen, lässt sich nur durch die Gewährung des schrankenlosen … Zugangs zu diesen Daten im Internet erreichen.“

➧ Die Angabe des Wohnorts hat eine wichtige Funktion

Nur mithilfe des Wohnorts lässt sich das für den GmbH-Geschäftsführer zuständige Einwohnermeldeamt herauszufinden. Mithilfe der weiteren Angaben (Name und Geburtsdatum des Geschäftsführers) ist es dann möglich, über eine sogenannte „einfache Melderegisterauskunft“ gemäß § 44 Bundesmeldegesetz (BMG) die Privatanschrift des Geschäftsführers zu ermitteln. Sie wird gebraucht, wenn Ansprüche gegen den Geschäftsführer persönlich geltend gemacht werden sollen und zu diesem Zweck beispielsweise eine Klageschrift zugestellt werden soll.

➧ Wirtschaftlich Tätige müssen mit Einschränkungen leben

Wer GmbH-Geschäftsführer wird, muss mit einer gewissen Einschränkung des Schutzes seiner personenbezogenen Daten leben. Dabei argumentiert der BGH dabei in etwa so: Niemand ist gezwungen, GmbH-Geschäftsführer zu werden. Jedem der sich darauf einlässt, ist bekannt, dass bestimmte Basisdaten über ihn im Handelsregister zugänglich sind. Dabei handelt es sich jedoch nur um einige wenige Daten, die zudem nicht besonders sensibel sind. Vor allem muss lediglich der Wohnort angegeben werden, nicht jedoch die vollständige Anschrift. Dies verringert die Intensität des Eingriffs. Wer diese Überlegungen in geschliffenem Juristendeutsch lesen will, möge zu Rn. 47-56 des BGH-Urteils greifen.

➧ Eine „allgemein erhöhte Gefährdungslage“ reicht nicht

Der GmbH-Geschäftsführer hatte argumentiert, bei ihm bestehe wegen des beruflich notwendigen Umgangs mit Sprengstoffen eine besondere Gefährdungslage. Diese Überlegung lässt der BGH jedoch nicht gelten. Sein Argument: Eine solche allgemein erhöhte Gefährdungslage kommt auch bei vielen anderen beruflichen Tätigkeiten vor. Wenn man in all diesen Fällen Ausnahmen von der Veröffentlichung der Basisdaten eines GmbH-Geschäftsführers zulassen würde, wäre die Informationsfunktion des Handelsregisters nicht mehr gewährleistet.

➧ Das Bundesverwaltungsgericht sah es genauso

Überraschenderweise geht der BGH nicht auf eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) ein, die seine Auffassung stützt. Wie ausgeführt, hatte der GmbH-Geschäftsführer erreicht, dass das zuständige Einwohnermeldeamt für ihn eine Auskunftssperre wegen Gefährdung im Melderegister eingetragen hat. Ob das zurecht geschah, ist stark zu bezweifeln. Das BVerwG legt insoweit nämlich strengste Maßstäbe an. Leitentscheidung hierzu ist der Fall einer Bewährungshelferin, die eine Auskunftssperre wegen Gefährdung im Melderegister eingetragen haben wollte. Dass sie keinen leichten Job hat und immer wieder kritischen Situationen ausgesetzt ist, bezweifelte auch das BVerwG nicht. Dennoch verweigerte es der Frau die Eintragung einer Auskunftssperre wegen Gefährdung.

➧ Auch ihm genügt eine abstrakte Gefährdungslage nicht

Das Argument des Gerichts: Nur wenn nachgewiesen werden kann, dass für alle Angehörigen einer Berufsgruppe eine bestimmte abstrakte Gefährdungslage besteht, rechtfertigt sie  die Eintragung einer Auskunftssperre wegen Gefährdung im Melderegister. Ansonsten reicht eine abstrakte Gefährdungslage dafür nicht. Anders sieht es bei einer konkreten Gefährdungslage aus, wenn also zum Beispiel jemand persönlich bedroht worden ist. So das Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 14.2.2017 – 6 B 49.16. Bei Eingabe des Aktenzeichens ist der Beschluss im Internet leicht zu finden.

➧ Die Folgerungen für die Praxis liegen auf der Hand

Wer Geschäftsführer einer GmbH wird, muss damit leben, dass Geburtsdatum und Wohnort veröffentlicht werden. Mithilfe dieser Angaben ist im Allgemeinen seine Privatanschrift problemlos herauszufinden. Wer das nicht will, muss zur Not auf die Geschäftsführer-Funktion verzichten. Jedenfalls bisher wurde aber noch nicht von Fällen berichtet, in denen jemand sich den Wohnort eines Geschäftsführers aus dem Handelsregister besorgt hat, um ihm dann „ans Leder zu gehen“. Möglicherweise hat der BGH also schlicht recht damit, dass solche Gefahren gering einzuschätzen sind.

➧ Hier ist die Entscheidung des BGH zu finden

Bei der in diesem Newsletter dargestellten BGH-Entscheidung handelt es sich um den Beschluss des BGH vom 23.1.2024. Er ist bei Eingabe des Aktenzeichens II ZB 7/23 im Internet problemlos zu finden. Seine vollständige Lektüre erfordert bei einem Umfang von 41 Seiten mit 90 Randnummern einen gewissen Aufwand.

Dr. Eugen Ehmann

Urteil
/ 15. April 2024

Löschung von Daten – auf wessen Veranlassung?

Geburtsdatum und Wohnort von GmbH-Geschäftsführern gehören ins Handelsregister. Dabei bleibt es trotz DSGVO. So die klare Ansage des Bundesgerichtshofs (BGH). Zur Begründung beruft er sich umfangreich auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH). Das macht die Entscheidung des BGH grundsätzlich bedeutsam.

➧ Sprengstoff ist immer etwas Heikles

Umgang mit Sprengstoff ist nicht jedermanns Sache. Für manche Menschen ist das aber der wesentliche Inhalt ihres Berufs. Verständlich, dass solche Personen für sich ein gewisses Risiko sehen, Opfer von Verbrechern zu werden. Denn für manche Kriminelle ist Sprengstoff eine hochinteressante Sache. Nur zu gern würden sie ihn in die Hände bekommen. Das wäre ihnen allemal ein Raub oder eine Entführung wert.

➧ Ein Geschäftsführer fühlt sich gefährdet

So argumentierte der Geschäftsführer einer GmbH, der von Berufs wegen mit Sprengstoff umgehen muss. Er sieht für sich persönlich das Risiko, Zielscheibe von Kriminellen zu werden. Dennoch trug das zuständige Registergericht seinen Namen, sein Geburtsdatum und den bei der Anmeldung zum Handelsregister angegebenen Wohnort in das Handelsregister ein. Damit waren diese Daten allgemein öffentlich verfügbar. Der Geschäftsführer fordert, dass sein Geburtsdatum und sein Wohnort aus dem Handelsregister entfernt werden. Dies sei zu seinem persönlichen Schutz notwendig.

➧ Das Registergericht bleibt aber unbeeindruckt

Der Geschäftsführer meinte, für seine Argumentation einen regelrechten Joker in der Hand zu haben. Denn das zuständige Einwohnermeldeamt hatte für ihn längst eine Auskunftssperre wegen Gefährdung eingetragen, die Auskünfte aus dem Melderegister abblocken kann. Dies ist im Bundesmeldegesetz (BMG) für den Fall vorgesehen, dass durch eine Melderegisterauskunft eine Gefahr für Leben, Gesundheit, persönliche Freiheit oder ähnliche schutzwürdige Interessen eines Einwohners entstehen kann (§ 51 BMG). Doch auch dies beeindruckte das Registergericht nicht. Es blieb dabei, dass der Handelsregistereintrag das Geburtsdatum und den Wohnort des GmbH-Geschäftsführers enthalten muss.

➧ Die DSGVO ist eindeutig anwendbar

Dass die DSGVO im vorliegenden Fall vom Prinzip her anwendbar ist, liegt für den BGH auf der Hand. Denn bei Geburtsdatum und Wohnort des Geschäftsführers handelt es sich um personenbezogene Daten. Diese Daten verarbeitet das Registergericht. Eine Verarbeitung erfolgt dabei bereits durch die Eintragung und Speicherung dieser Daten im Handelsregister. Hinzu kommt, dass die Einsichtnahme in das Handelsregister durch Interessenten ohne Einschränkungen gestattet ist (siehe §§ 9, 10 Absatz 2 Handelsgesetzbuch). Auch darin liegt eine Verarbeitung dieser Daten durch das Registergericht.

➧ Der BGH sieht aber keinen Anspruch auf Löschung der Daten

Art. 17 DSGVO gibt betroffenen Personen unter bestimmten Voraussetzungen das Recht, die Löschung von personenbezogenen Daten zu verlangen. Allerdings schließt die DSGVO einen solchen Anspruch für bestimmte Fallkonstellationen generell aus. Hier setzt der BGH an. Ein Löschungsanspruch besteht nämlich nicht, wenn die Verarbeitung der Daten erforderlich ist, um eine rechtliche Verpflichtung zu erfüllen, die sich aus dem Recht des jeweiligen Mitgliedstaats ergibt (Art. 17 Abs. 3 Buchstabe b DSGVO). Den Voraussetzungen dieser Ausnahme widmet sich der BGH bis ins Detail.

➧ Das Geburtsdatum im Handelsregister ist so vorgesehen

Da Art. 17 Abs. 3 Buchstabe b DSGVO auf das nationale Recht des jeweiligen Mitgliedstaates verweist, schildert der BGH zunächst die Vorgaben des deutschen Rechts für das Geburtsdatum. Hier tut er sich relativ leicht. Denn es besteht die gesetzliche Pflicht, eine GmbH zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden (§ 7 Abs.1 GmbH-Gesetz). Dabei ist ausdrücklich auch das Geburtsdatum des Geschäftsführers anzugeben (§ 24 Abs:1 Handelsregisterverordnung). Damit ist eine entsprechende Vorgabe des deutschen nationalen Rechts gegeben.

➧ Deutlich schwieriger wird es beim Wohnort

Eine entsprechende ausdrückliche Regelung für die Angabe des Wohnorts gibt es nicht. Nach Auffassung des BGH ist es jedoch gewohnheitsrechtlich verankert, dass der Wohnort des Geschäftsführers aus dem Handelsregister zu ersehen sein muss. Dabei betont er, dass Gewohnheitsrecht als Rechtsquelle gleichwertig neben dem Gesetzesrecht steht. Dabei beruft er sich auf eine entsprechende Praxis der Registergerichte jedenfalls seit dem Jahr 1898. Sie ist damit älter als das BGB, das am 1.1.1900 in Kraft getreten ist. Seither sei nie bestritten worden, dass der Wohnort des Geschäftsführers anzugeben ist. Dies werde seither ständig so gehandhabt und allgemein als verbindlich anerkannt. Kritische Stimmen hierzu in Rechtsprechung oder Literatur konnte der BGH nicht feststellen.

➧ Die DSGVO spricht von „Recht“, nicht von „Gesetz“

Dass sich der BGH auf eine gewohnheitsrechtlich Handhabung beruft, wird manche Datenschützer irritieren. Denn sie sind es gewohnt, dass für die Verarbeitung von personenbezogenen Daten ausdrückliche Normen in Gesetzen vorhanden sind, allenfalls noch in Verordnungen, die auf der Basis von Gesetzen erlassen wurden. Dem BGH ist jedoch zuzugeben, dass Art. 17 Abs. 3 Buchstabe b DSGVO nicht etwa von rechtlichen Verpflichtungen spricht, die sich aus gesetzlichen Vorgaben der Mitgliedstaaten ergeben. Vielmehr verwendet die DSGVO dort die Formulierung „Recht … der Mitgliedstaaten“. Damit ist jedenfalls vom Ansatz her auch Raum für die Berücksichtigung von Gewohnheitsrecht.

➧ Die Angaben dienen einem legitimen Zweck

Die bisher dargestellte Argumentation des BGH wird dadurch gestützt, dass die Angabe von Geburtsdatum und Wohnort eines GmbH-Geschäftsführers einem öffentlichen Interesse dient. Auf diesen Aspekt stellt die DSGVO für die Rechtmäßigkeit einer Verarbeitung selbst ausdrücklich ab (siehe Art. 6 Abs. 3 Sätze 2 und 4 DSGVO). Der Rechtsverkehr hat ein schützenswertes Interesse daran, sich aus dem Handelsregister zuverlässig über Name, Geburtsdatum und Wohnort eines GmbH-Geschäftsführers informieren zu können. Denn der Geschäftsführer ist derjenige, der zur Vertretung der GmbH nach außen berechtigt ist. Deshalb sind Grundinformationen über ihn notwendig.

➧ Die Zugänglichkeit der Angaben im Internet ist geboten

Vor Inkrafttreten der DSGVO hatte der EuGH schon einmal einen ähnlichen Fall zu beurteilen. Damals akzeptierte der EuGH, dass die „Personalien“ eines GmbH-Geschäftsführers für die Öffentlichkeit zugänglich sein müssen (siehe EuGH, Urteil vom 9.3.2017 – C-389/15, Fall Salvatore Manni; bei Eingabe des Aktenzeichens problemlos im Internet abrufbar). Das gilt laut BGH unverändert: „Das Ziel, jeder interessierten Person die Möglichkeit zu geben, sich möglichst … ohne zeitliche Verzögerung durch eine zuverlässige Informationsquelle Kenntnis von den wesentlichen Angaben über die Gründung der Handelsgesellschaften und über die mit ihrer Vertretung betrauten Personen zu verschaffen, lässt sich nur durch die Gewährung des schrankenlosen … Zugangs zu diesen Daten im Internet erreichen.“

➧ Die Angabe des Wohnorts hat eine wichtige Funktion

Nur mithilfe des Wohnorts lässt sich das für den GmbH-Geschäftsführer zuständige Einwohnermeldeamt herauszufinden. Mithilfe der weiteren Angaben (Name und Geburtsdatum des Geschäftsführers) ist es dann möglich, über eine sogenannte „einfache Melderegisterauskunft“ gemäß § 44 Bundesmeldegesetz (BMG) die Privatanschrift des Geschäftsführers zu ermitteln. Sie wird gebraucht, wenn Ansprüche gegen den Geschäftsführer persönlich geltend gemacht werden sollen und zu diesem Zweck beispielsweise eine Klageschrift zugestellt werden soll.

➧ Wirtschaftlich Tätige müssen mit Einschränkungen leben

Wer GmbH-Geschäftsführer wird, muss mit einer gewissen Einschränkung des Schutzes seiner personenbezogenen Daten leben. Dabei argumentiert der BGH dabei in etwa so: Niemand ist gezwungen, GmbH-Geschäftsführer zu werden. Jedem der sich darauf einlässt, ist bekannt, dass bestimmte Basisdaten über ihn im Handelsregister zugänglich sind. Dabei handelt es sich jedoch nur um einige wenige Daten, die zudem nicht besonders sensibel sind. Vor allem muss lediglich der Wohnort angegeben werden, nicht jedoch die vollständige Anschrift. Dies verringert die Intensität des Eingriffs. Wer diese Überlegungen in geschliffenem Juristendeutsch lesen will, möge zu Rn. 47-56 des BGH-Urteils greifen.

➧ Eine „allgemein erhöhte Gefährdungslage“ reicht nicht

Der GmbH-Geschäftsführer hatte argumentiert, bei ihm bestehe wegen des beruflich notwendigen Umgangs mit Sprengstoffen eine besondere Gefährdungslage. Diese Überlegung lässt der BGH jedoch nicht gelten. Sein Argument: Eine solche allgemein erhöhte Gefährdungslage kommt auch bei vielen anderen beruflichen Tätigkeiten vor. Wenn man in all diesen Fällen Ausnahmen von der Veröffentlichung der Basisdaten eines GmbH-Geschäftsführers zulassen würde, wäre die Informationsfunktion des Handelsregisters nicht mehr gewährleistet.

➧ Das Bundesverwaltungsgericht sah es genauso

Überraschenderweise geht der BGH nicht auf eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) ein, die seine Auffassung stützt. Wie ausgeführt, hatte der GmbH-Geschäftsführer erreicht, dass das zuständige Einwohnermeldeamt für ihn eine Auskunftssperre wegen Gefährdung im Melderegister eingetragen hat. Ob das zurecht geschah, ist stark zu bezweifeln. Das BVerwG legt insoweit nämlich strengste Maßstäbe an. Leitentscheidung hierzu ist der Fall einer Bewährungshelferin, die eine Auskunftssperre wegen Gefährdung im Melderegister eingetragen haben wollte. Dass sie keinen leichten Job hat und immer wieder kritischen Situationen ausgesetzt ist, bezweifelte auch das BVerwG nicht. Dennoch verweigerte es der Frau die Eintragung einer Auskunftssperre wegen Gefährdung.

➧ Auch ihm genügt eine abstrakte Gefährdungslage nicht

Das Argument des Gerichts: Nur wenn nachgewiesen werden kann, dass für alle Angehörigen einer Berufsgruppe eine bestimmte abstrakte Gefährdungslage besteht, rechtfertigt sie  die Eintragung einer Auskunftssperre wegen Gefährdung im Melderegister. Ansonsten reicht eine abstrakte Gefährdungslage dafür nicht. Anders sieht es bei einer konkreten Gefährdungslage aus, wenn also zum Beispiel jemand persönlich bedroht worden ist. So das Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 14.2.2017 – 6 B 49.16. Bei Eingabe des Aktenzeichens ist der Beschluss im Internet leicht zu finden.

➧ Die Folgerungen für die Praxis liegen auf der Hand

Wer Geschäftsführer einer GmbH wird, muss damit leben, dass Geburtsdatum und Wohnort veröffentlicht werden. Mithilfe dieser Angaben ist im Allgemeinen seine Privatanschrift problemlos herauszufinden. Wer das nicht will, muss zur Not auf die Geschäftsführer-Funktion verzichten. Jedenfalls bisher wurde aber noch nicht von Fällen berichtet, in denen jemand sich den Wohnort eines Geschäftsführers aus dem Handelsregister besorgt hat, um ihm dann „ans Leder zu gehen“. Möglicherweise hat der BGH also schlicht recht damit, dass solche Gefahren gering einzuschätzen sind.

➧ Hier ist die Entscheidung des BGH zu finden

Bei der in diesem Newsletter dargestellten BGH-Entscheidung handelt es sich um den Beschluss des BGH vom 23.1.2024. Er ist bei Eingabe des Aktenzeichens II ZB 7/23 im Internet problemlos zu finden. Seine vollständige Lektüre erfordert bei einem Umfang von 41 Seiten mit 90 Randnummern einen gewissen Aufwand.

Dr. Eugen Ehmann

Urteil
/ 15. April 2024

Datenschutz bei Scoring-Verfahren: Das müssen Sie wissen

Geburtsdatum und Wohnort von GmbH-Geschäftsführern gehören ins Handelsregister. Dabei bleibt es trotz DSGVO. So die klare Ansage des Bundesgerichtshofs (BGH). Zur Begründung beruft er sich umfangreich auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH). Das macht die Entscheidung des BGH grundsätzlich bedeutsam.

➧ Sprengstoff ist immer etwas Heikles

Umgang mit Sprengstoff ist nicht jedermanns Sache. Für manche Menschen ist das aber der wesentliche Inhalt ihres Berufs. Verständlich, dass solche Personen für sich ein gewisses Risiko sehen, Opfer von Verbrechern zu werden. Denn für manche Kriminelle ist Sprengstoff eine hochinteressante Sache. Nur zu gern würden sie ihn in die Hände bekommen. Das wäre ihnen allemal ein Raub oder eine Entführung wert.

➧ Ein Geschäftsführer fühlt sich gefährdet

So argumentierte der Geschäftsführer einer GmbH, der von Berufs wegen mit Sprengstoff umgehen muss. Er sieht für sich persönlich das Risiko, Zielscheibe von Kriminellen zu werden. Dennoch trug das zuständige Registergericht seinen Namen, sein Geburtsdatum und den bei der Anmeldung zum Handelsregister angegebenen Wohnort in das Handelsregister ein. Damit waren diese Daten allgemein öffentlich verfügbar. Der Geschäftsführer fordert, dass sein Geburtsdatum und sein Wohnort aus dem Handelsregister entfernt werden. Dies sei zu seinem persönlichen Schutz notwendig.

➧ Das Registergericht bleibt aber unbeeindruckt

Der Geschäftsführer meinte, für seine Argumentation einen regelrechten Joker in der Hand zu haben. Denn das zuständige Einwohnermeldeamt hatte für ihn längst eine Auskunftssperre wegen Gefährdung eingetragen, die Auskünfte aus dem Melderegister abblocken kann. Dies ist im Bundesmeldegesetz (BMG) für den Fall vorgesehen, dass durch eine Melderegisterauskunft eine Gefahr für Leben, Gesundheit, persönliche Freiheit oder ähnliche schutzwürdige Interessen eines Einwohners entstehen kann (§ 51 BMG). Doch auch dies beeindruckte das Registergericht nicht. Es blieb dabei, dass der Handelsregistereintrag das Geburtsdatum und den Wohnort des GmbH-Geschäftsführers enthalten muss.

➧ Die DSGVO ist eindeutig anwendbar

Dass die DSGVO im vorliegenden Fall vom Prinzip her anwendbar ist, liegt für den BGH auf der Hand. Denn bei Geburtsdatum und Wohnort des Geschäftsführers handelt es sich um personenbezogene Daten. Diese Daten verarbeitet das Registergericht. Eine Verarbeitung erfolgt dabei bereits durch die Eintragung und Speicherung dieser Daten im Handelsregister. Hinzu kommt, dass die Einsichtnahme in das Handelsregister durch Interessenten ohne Einschränkungen gestattet ist (siehe §§ 9, 10 Absatz 2 Handelsgesetzbuch). Auch darin liegt eine Verarbeitung dieser Daten durch das Registergericht.

➧ Der BGH sieht aber keinen Anspruch auf Löschung der Daten

Art. 17 DSGVO gibt betroffenen Personen unter bestimmten Voraussetzungen das Recht, die Löschung von personenbezogenen Daten zu verlangen. Allerdings schließt die DSGVO einen solchen Anspruch für bestimmte Fallkonstellationen generell aus. Hier setzt der BGH an. Ein Löschungsanspruch besteht nämlich nicht, wenn die Verarbeitung der Daten erforderlich ist, um eine rechtliche Verpflichtung zu erfüllen, die sich aus dem Recht des jeweiligen Mitgliedstaats ergibt (Art. 17 Abs. 3 Buchstabe b DSGVO). Den Voraussetzungen dieser Ausnahme widmet sich der BGH bis ins Detail.

➧ Das Geburtsdatum im Handelsregister ist so vorgesehen

Da Art. 17 Abs. 3 Buchstabe b DSGVO auf das nationale Recht des jeweiligen Mitgliedstaates verweist, schildert der BGH zunächst die Vorgaben des deutschen Rechts für das Geburtsdatum. Hier tut er sich relativ leicht. Denn es besteht die gesetzliche Pflicht, eine GmbH zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden (§ 7 Abs.1 GmbH-Gesetz). Dabei ist ausdrücklich auch das Geburtsdatum des Geschäftsführers anzugeben (§ 24 Abs:1 Handelsregisterverordnung). Damit ist eine entsprechende Vorgabe des deutschen nationalen Rechts gegeben.

➧ Deutlich schwieriger wird es beim Wohnort

Eine entsprechende ausdrückliche Regelung für die Angabe des Wohnorts gibt es nicht. Nach Auffassung des BGH ist es jedoch gewohnheitsrechtlich verankert, dass der Wohnort des Geschäftsführers aus dem Handelsregister zu ersehen sein muss. Dabei betont er, dass Gewohnheitsrecht als Rechtsquelle gleichwertig neben dem Gesetzesrecht steht. Dabei beruft er sich auf eine entsprechende Praxis der Registergerichte jedenfalls seit dem Jahr 1898. Sie ist damit älter als das BGB, das am 1.1.1900 in Kraft getreten ist. Seither sei nie bestritten worden, dass der Wohnort des Geschäftsführers anzugeben ist. Dies werde seither ständig so gehandhabt und allgemein als verbindlich anerkannt. Kritische Stimmen hierzu in Rechtsprechung oder Literatur konnte der BGH nicht feststellen.

➧ Die DSGVO spricht von „Recht“, nicht von „Gesetz“

Dass sich der BGH auf eine gewohnheitsrechtlich Handhabung beruft, wird manche Datenschützer irritieren. Denn sie sind es gewohnt, dass für die Verarbeitung von personenbezogenen Daten ausdrückliche Normen in Gesetzen vorhanden sind, allenfalls noch in Verordnungen, die auf der Basis von Gesetzen erlassen wurden. Dem BGH ist jedoch zuzugeben, dass Art. 17 Abs. 3 Buchstabe b DSGVO nicht etwa von rechtlichen Verpflichtungen spricht, die sich aus gesetzlichen Vorgaben der Mitgliedstaaten ergeben. Vielmehr verwendet die DSGVO dort die Formulierung „Recht … der Mitgliedstaaten“. Damit ist jedenfalls vom Ansatz her auch Raum für die Berücksichtigung von Gewohnheitsrecht.

➧ Die Angaben dienen einem legitimen Zweck

Die bisher dargestellte Argumentation des BGH wird dadurch gestützt, dass die Angabe von Geburtsdatum und Wohnort eines GmbH-Geschäftsführers einem öffentlichen Interesse dient. Auf diesen Aspekt stellt die DSGVO für die Rechtmäßigkeit einer Verarbeitung selbst ausdrücklich ab (siehe Art. 6 Abs. 3 Sätze 2 und 4 DSGVO). Der Rechtsverkehr hat ein schützenswertes Interesse daran, sich aus dem Handelsregister zuverlässig über Name, Geburtsdatum und Wohnort eines GmbH-Geschäftsführers informieren zu können. Denn der Geschäftsführer ist derjenige, der zur Vertretung der GmbH nach außen berechtigt ist. Deshalb sind Grundinformationen über ihn notwendig.

➧ Die Zugänglichkeit der Angaben im Internet ist geboten

Vor Inkrafttreten der DSGVO hatte der EuGH schon einmal einen ähnlichen Fall zu beurteilen. Damals akzeptierte der EuGH, dass die „Personalien“ eines GmbH-Geschäftsführers für die Öffentlichkeit zugänglich sein müssen (siehe EuGH, Urteil vom 9.3.2017 – C-389/15, Fall Salvatore Manni; bei Eingabe des Aktenzeichens problemlos im Internet abrufbar). Das gilt laut BGH unverändert: „Das Ziel, jeder interessierten Person die Möglichkeit zu geben, sich möglichst … ohne zeitliche Verzögerung durch eine zuverlässige Informationsquelle Kenntnis von den wesentlichen Angaben über die Gründung der Handelsgesellschaften und über die mit ihrer Vertretung betrauten Personen zu verschaffen, lässt sich nur durch die Gewährung des schrankenlosen … Zugangs zu diesen Daten im Internet erreichen.“

➧ Die Angabe des Wohnorts hat eine wichtige Funktion

Nur mithilfe des Wohnorts lässt sich das für den GmbH-Geschäftsführer zuständige Einwohnermeldeamt herauszufinden. Mithilfe der weiteren Angaben (Name und Geburtsdatum des Geschäftsführers) ist es dann möglich, über eine sogenannte „einfache Melderegisterauskunft“ gemäß § 44 Bundesmeldegesetz (BMG) die Privatanschrift des Geschäftsführers zu ermitteln. Sie wird gebraucht, wenn Ansprüche gegen den Geschäftsführer persönlich geltend gemacht werden sollen und zu diesem Zweck beispielsweise eine Klageschrift zugestellt werden soll.

➧ Wirtschaftlich Tätige müssen mit Einschränkungen leben

Wer GmbH-Geschäftsführer wird, muss mit einer gewissen Einschränkung des Schutzes seiner personenbezogenen Daten leben. Dabei argumentiert der BGH dabei in etwa so: Niemand ist gezwungen, GmbH-Geschäftsführer zu werden. Jedem der sich darauf einlässt, ist bekannt, dass bestimmte Basisdaten über ihn im Handelsregister zugänglich sind. Dabei handelt es sich jedoch nur um einige wenige Daten, die zudem nicht besonders sensibel sind. Vor allem muss lediglich der Wohnort angegeben werden, nicht jedoch die vollständige Anschrift. Dies verringert die Intensität des Eingriffs. Wer diese Überlegungen in geschliffenem Juristendeutsch lesen will, möge zu Rn. 47-56 des BGH-Urteils greifen.

➧ Eine „allgemein erhöhte Gefährdungslage“ reicht nicht

Der GmbH-Geschäftsführer hatte argumentiert, bei ihm bestehe wegen des beruflich notwendigen Umgangs mit Sprengstoffen eine besondere Gefährdungslage. Diese Überlegung lässt der BGH jedoch nicht gelten. Sein Argument: Eine solche allgemein erhöhte Gefährdungslage kommt auch bei vielen anderen beruflichen Tätigkeiten vor. Wenn man in all diesen Fällen Ausnahmen von der Veröffentlichung der Basisdaten eines GmbH-Geschäftsführers zulassen würde, wäre die Informationsfunktion des Handelsregisters nicht mehr gewährleistet.

➧ Das Bundesverwaltungsgericht sah es genauso

Überraschenderweise geht der BGH nicht auf eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) ein, die seine Auffassung stützt. Wie ausgeführt, hatte der GmbH-Geschäftsführer erreicht, dass das zuständige Einwohnermeldeamt für ihn eine Auskunftssperre wegen Gefährdung im Melderegister eingetragen hat. Ob das zurecht geschah, ist stark zu bezweifeln. Das BVerwG legt insoweit nämlich strengste Maßstäbe an. Leitentscheidung hierzu ist der Fall einer Bewährungshelferin, die eine Auskunftssperre wegen Gefährdung im Melderegister eingetragen haben wollte. Dass sie keinen leichten Job hat und immer wieder kritischen Situationen ausgesetzt ist, bezweifelte auch das BVerwG nicht. Dennoch verweigerte es der Frau die Eintragung einer Auskunftssperre wegen Gefährdung.

➧ Auch ihm genügt eine abstrakte Gefährdungslage nicht

Das Argument des Gerichts: Nur wenn nachgewiesen werden kann, dass für alle Angehörigen einer Berufsgruppe eine bestimmte abstrakte Gefährdungslage besteht, rechtfertigt sie  die Eintragung einer Auskunftssperre wegen Gefährdung im Melderegister. Ansonsten reicht eine abstrakte Gefährdungslage dafür nicht. Anders sieht es bei einer konkreten Gefährdungslage aus, wenn also zum Beispiel jemand persönlich bedroht worden ist. So das Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 14.2.2017 – 6 B 49.16. Bei Eingabe des Aktenzeichens ist der Beschluss im Internet leicht zu finden.

➧ Die Folgerungen für die Praxis liegen auf der Hand

Wer Geschäftsführer einer GmbH wird, muss damit leben, dass Geburtsdatum und Wohnort veröffentlicht werden. Mithilfe dieser Angaben ist im Allgemeinen seine Privatanschrift problemlos herauszufinden. Wer das nicht will, muss zur Not auf die Geschäftsführer-Funktion verzichten. Jedenfalls bisher wurde aber noch nicht von Fällen berichtet, in denen jemand sich den Wohnort eines Geschäftsführers aus dem Handelsregister besorgt hat, um ihm dann „ans Leder zu gehen“. Möglicherweise hat der BGH also schlicht recht damit, dass solche Gefahren gering einzuschätzen sind.

➧ Hier ist die Entscheidung des BGH zu finden

Bei der in diesem Newsletter dargestellten BGH-Entscheidung handelt es sich um den Beschluss des BGH vom 23.1.2024. Er ist bei Eingabe des Aktenzeichens II ZB 7/23 im Internet problemlos zu finden. Seine vollständige Lektüre erfordert bei einem Umfang von 41 Seiten mit 90 Randnummern einen gewissen Aufwand.

Dr. Eugen Ehmann

Urteil
/ 15. April 2024

Mitarbeiter in Unternehmen als „Datenempfänger“?

Geburtsdatum und Wohnort von GmbH-Geschäftsführern gehören ins Handelsregister. Dabei bleibt es trotz DSGVO. So die klare Ansage des Bundesgerichtshofs (BGH). Zur Begründung beruft er sich umfangreich auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH). Das macht die Entscheidung des BGH grundsätzlich bedeutsam.

➧ Sprengstoff ist immer etwas Heikles

Umgang mit Sprengstoff ist nicht jedermanns Sache. Für manche Menschen ist das aber der wesentliche Inhalt ihres Berufs. Verständlich, dass solche Personen für sich ein gewisses Risiko sehen, Opfer von Verbrechern zu werden. Denn für manche Kriminelle ist Sprengstoff eine hochinteressante Sache. Nur zu gern würden sie ihn in die Hände bekommen. Das wäre ihnen allemal ein Raub oder eine Entführung wert.

➧ Ein Geschäftsführer fühlt sich gefährdet

So argumentierte der Geschäftsführer einer GmbH, der von Berufs wegen mit Sprengstoff umgehen muss. Er sieht für sich persönlich das Risiko, Zielscheibe von Kriminellen zu werden. Dennoch trug das zuständige Registergericht seinen Namen, sein Geburtsdatum und den bei der Anmeldung zum Handelsregister angegebenen Wohnort in das Handelsregister ein. Damit waren diese Daten allgemein öffentlich verfügbar. Der Geschäftsführer fordert, dass sein Geburtsdatum und sein Wohnort aus dem Handelsregister entfernt werden. Dies sei zu seinem persönlichen Schutz notwendig.

➧ Das Registergericht bleibt aber unbeeindruckt

Der Geschäftsführer meinte, für seine Argumentation einen regelrechten Joker in der Hand zu haben. Denn das zuständige Einwohnermeldeamt hatte für ihn längst eine Auskunftssperre wegen Gefährdung eingetragen, die Auskünfte aus dem Melderegister abblocken kann. Dies ist im Bundesmeldegesetz (BMG) für den Fall vorgesehen, dass durch eine Melderegisterauskunft eine Gefahr für Leben, Gesundheit, persönliche Freiheit oder ähnliche schutzwürdige Interessen eines Einwohners entstehen kann (§ 51 BMG). Doch auch dies beeindruckte das Registergericht nicht. Es blieb dabei, dass der Handelsregistereintrag das Geburtsdatum und den Wohnort des GmbH-Geschäftsführers enthalten muss.

➧ Die DSGVO ist eindeutig anwendbar

Dass die DSGVO im vorliegenden Fall vom Prinzip her anwendbar ist, liegt für den BGH auf der Hand. Denn bei Geburtsdatum und Wohnort des Geschäftsführers handelt es sich um personenbezogene Daten. Diese Daten verarbeitet das Registergericht. Eine Verarbeitung erfolgt dabei bereits durch die Eintragung und Speicherung dieser Daten im Handelsregister. Hinzu kommt, dass die Einsichtnahme in das Handelsregister durch Interessenten ohne Einschränkungen gestattet ist (siehe §§ 9, 10 Absatz 2 Handelsgesetzbuch). Auch darin liegt eine Verarbeitung dieser Daten durch das Registergericht.

➧ Der BGH sieht aber keinen Anspruch auf Löschung der Daten

Art. 17 DSGVO gibt betroffenen Personen unter bestimmten Voraussetzungen das Recht, die Löschung von personenbezogenen Daten zu verlangen. Allerdings schließt die DSGVO einen solchen Anspruch für bestimmte Fallkonstellationen generell aus. Hier setzt der BGH an. Ein Löschungsanspruch besteht nämlich nicht, wenn die Verarbeitung der Daten erforderlich ist, um eine rechtliche Verpflichtung zu erfüllen, die sich aus dem Recht des jeweiligen Mitgliedstaats ergibt (Art. 17 Abs. 3 Buchstabe b DSGVO). Den Voraussetzungen dieser Ausnahme widmet sich der BGH bis ins Detail.

➧ Das Geburtsdatum im Handelsregister ist so vorgesehen

Da Art. 17 Abs. 3 Buchstabe b DSGVO auf das nationale Recht des jeweiligen Mitgliedstaates verweist, schildert der BGH zunächst die Vorgaben des deutschen Rechts für das Geburtsdatum. Hier tut er sich relativ leicht. Denn es besteht die gesetzliche Pflicht, eine GmbH zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden (§ 7 Abs.1 GmbH-Gesetz). Dabei ist ausdrücklich auch das Geburtsdatum des Geschäftsführers anzugeben (§ 24 Abs:1 Handelsregisterverordnung). Damit ist eine entsprechende Vorgabe des deutschen nationalen Rechts gegeben.

➧ Deutlich schwieriger wird es beim Wohnort

Eine entsprechende ausdrückliche Regelung für die Angabe des Wohnorts gibt es nicht. Nach Auffassung des BGH ist es jedoch gewohnheitsrechtlich verankert, dass der Wohnort des Geschäftsführers aus dem Handelsregister zu ersehen sein muss. Dabei betont er, dass Gewohnheitsrecht als Rechtsquelle gleichwertig neben dem Gesetzesrecht steht. Dabei beruft er sich auf eine entsprechende Praxis der Registergerichte jedenfalls seit dem Jahr 1898. Sie ist damit älter als das BGB, das am 1.1.1900 in Kraft getreten ist. Seither sei nie bestritten worden, dass der Wohnort des Geschäftsführers anzugeben ist. Dies werde seither ständig so gehandhabt und allgemein als verbindlich anerkannt. Kritische Stimmen hierzu in Rechtsprechung oder Literatur konnte der BGH nicht feststellen.

➧ Die DSGVO spricht von „Recht“, nicht von „Gesetz“

Dass sich der BGH auf eine gewohnheitsrechtlich Handhabung beruft, wird manche Datenschützer irritieren. Denn sie sind es gewohnt, dass für die Verarbeitung von personenbezogenen Daten ausdrückliche Normen in Gesetzen vorhanden sind, allenfalls noch in Verordnungen, die auf der Basis von Gesetzen erlassen wurden. Dem BGH ist jedoch zuzugeben, dass Art. 17 Abs. 3 Buchstabe b DSGVO nicht etwa von rechtlichen Verpflichtungen spricht, die sich aus gesetzlichen Vorgaben der Mitgliedstaaten ergeben. Vielmehr verwendet die DSGVO dort die Formulierung „Recht … der Mitgliedstaaten“. Damit ist jedenfalls vom Ansatz her auch Raum für die Berücksichtigung von Gewohnheitsrecht.

➧ Die Angaben dienen einem legitimen Zweck

Die bisher dargestellte Argumentation des BGH wird dadurch gestützt, dass die Angabe von Geburtsdatum und Wohnort eines GmbH-Geschäftsführers einem öffentlichen Interesse dient. Auf diesen Aspekt stellt die DSGVO für die Rechtmäßigkeit einer Verarbeitung selbst ausdrücklich ab (siehe Art. 6 Abs. 3 Sätze 2 und 4 DSGVO). Der Rechtsverkehr hat ein schützenswertes Interesse daran, sich aus dem Handelsregister zuverlässig über Name, Geburtsdatum und Wohnort eines GmbH-Geschäftsführers informieren zu können. Denn der Geschäftsführer ist derjenige, der zur Vertretung der GmbH nach außen berechtigt ist. Deshalb sind Grundinformationen über ihn notwendig.

➧ Die Zugänglichkeit der Angaben im Internet ist geboten

Vor Inkrafttreten der DSGVO hatte der EuGH schon einmal einen ähnlichen Fall zu beurteilen. Damals akzeptierte der EuGH, dass die „Personalien“ eines GmbH-Geschäftsführers für die Öffentlichkeit zugänglich sein müssen (siehe EuGH, Urteil vom 9.3.2017 – C-389/15, Fall Salvatore Manni; bei Eingabe des Aktenzeichens problemlos im Internet abrufbar). Das gilt laut BGH unverändert: „Das Ziel, jeder interessierten Person die Möglichkeit zu geben, sich möglichst … ohne zeitliche Verzögerung durch eine zuverlässige Informationsquelle Kenntnis von den wesentlichen Angaben über die Gründung der Handelsgesellschaften und über die mit ihrer Vertretung betrauten Personen zu verschaffen, lässt sich nur durch die Gewährung des schrankenlosen … Zugangs zu diesen Daten im Internet erreichen.“

➧ Die Angabe des Wohnorts hat eine wichtige Funktion

Nur mithilfe des Wohnorts lässt sich das für den GmbH-Geschäftsführer zuständige Einwohnermeldeamt herauszufinden. Mithilfe der weiteren Angaben (Name und Geburtsdatum des Geschäftsführers) ist es dann möglich, über eine sogenannte „einfache Melderegisterauskunft“ gemäß § 44 Bundesmeldegesetz (BMG) die Privatanschrift des Geschäftsführers zu ermitteln. Sie wird gebraucht, wenn Ansprüche gegen den Geschäftsführer persönlich geltend gemacht werden sollen und zu diesem Zweck beispielsweise eine Klageschrift zugestellt werden soll.

➧ Wirtschaftlich Tätige müssen mit Einschränkungen leben

Wer GmbH-Geschäftsführer wird, muss mit einer gewissen Einschränkung des Schutzes seiner personenbezogenen Daten leben. Dabei argumentiert der BGH dabei in etwa so: Niemand ist gezwungen, GmbH-Geschäftsführer zu werden. Jedem der sich darauf einlässt, ist bekannt, dass bestimmte Basisdaten über ihn im Handelsregister zugänglich sind. Dabei handelt es sich jedoch nur um einige wenige Daten, die zudem nicht besonders sensibel sind. Vor allem muss lediglich der Wohnort angegeben werden, nicht jedoch die vollständige Anschrift. Dies verringert die Intensität des Eingriffs. Wer diese Überlegungen in geschliffenem Juristendeutsch lesen will, möge zu Rn. 47-56 des BGH-Urteils greifen.

➧ Eine „allgemein erhöhte Gefährdungslage“ reicht nicht

Der GmbH-Geschäftsführer hatte argumentiert, bei ihm bestehe wegen des beruflich notwendigen Umgangs mit Sprengstoffen eine besondere Gefährdungslage. Diese Überlegung lässt der BGH jedoch nicht gelten. Sein Argument: Eine solche allgemein erhöhte Gefährdungslage kommt auch bei vielen anderen beruflichen Tätigkeiten vor. Wenn man in all diesen Fällen Ausnahmen von der Veröffentlichung der Basisdaten eines GmbH-Geschäftsführers zulassen würde, wäre die Informationsfunktion des Handelsregisters nicht mehr gewährleistet.

➧ Das Bundesverwaltungsgericht sah es genauso

Überraschenderweise geht der BGH nicht auf eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) ein, die seine Auffassung stützt. Wie ausgeführt, hatte der GmbH-Geschäftsführer erreicht, dass das zuständige Einwohnermeldeamt für ihn eine Auskunftssperre wegen Gefährdung im Melderegister eingetragen hat. Ob das zurecht geschah, ist stark zu bezweifeln. Das BVerwG legt insoweit nämlich strengste Maßstäbe an. Leitentscheidung hierzu ist der Fall einer Bewährungshelferin, die eine Auskunftssperre wegen Gefährdung im Melderegister eingetragen haben wollte. Dass sie keinen leichten Job hat und immer wieder kritischen Situationen ausgesetzt ist, bezweifelte auch das BVerwG nicht. Dennoch verweigerte es der Frau die Eintragung einer Auskunftssperre wegen Gefährdung.

➧ Auch ihm genügt eine abstrakte Gefährdungslage nicht

Das Argument des Gerichts: Nur wenn nachgewiesen werden kann, dass für alle Angehörigen einer Berufsgruppe eine bestimmte abstrakte Gefährdungslage besteht, rechtfertigt sie  die Eintragung einer Auskunftssperre wegen Gefährdung im Melderegister. Ansonsten reicht eine abstrakte Gefährdungslage dafür nicht. Anders sieht es bei einer konkreten Gefährdungslage aus, wenn also zum Beispiel jemand persönlich bedroht worden ist. So das Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 14.2.2017 – 6 B 49.16. Bei Eingabe des Aktenzeichens ist der Beschluss im Internet leicht zu finden.

➧ Die Folgerungen für die Praxis liegen auf der Hand

Wer Geschäftsführer einer GmbH wird, muss damit leben, dass Geburtsdatum und Wohnort veröffentlicht werden. Mithilfe dieser Angaben ist im Allgemeinen seine Privatanschrift problemlos herauszufinden. Wer das nicht will, muss zur Not auf die Geschäftsführer-Funktion verzichten. Jedenfalls bisher wurde aber noch nicht von Fällen berichtet, in denen jemand sich den Wohnort eines Geschäftsführers aus dem Handelsregister besorgt hat, um ihm dann „ans Leder zu gehen“. Möglicherweise hat der BGH also schlicht recht damit, dass solche Gefahren gering einzuschätzen sind.

➧ Hier ist die Entscheidung des BGH zu finden

Bei der in diesem Newsletter dargestellten BGH-Entscheidung handelt es sich um den Beschluss des BGH vom 23.1.2024. Er ist bei Eingabe des Aktenzeichens II ZB 7/23 im Internet problemlos zu finden. Seine vollständige Lektüre erfordert bei einem Umfang von 41 Seiten mit 90 Randnummern einen gewissen Aufwand.

Dr. Eugen Ehmann

Urteil
/ 15. April 2024

Kopien ärztlicher Unterlagen für Patienten – kostenlos oder nicht?

Geburtsdatum und Wohnort von GmbH-Geschäftsführern gehören ins Handelsregister. Dabei bleibt es trotz DSGVO. So die klare Ansage des Bundesgerichtshofs (BGH). Zur Begründung beruft er sich umfangreich auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH). Das macht die Entscheidung des BGH grundsätzlich bedeutsam.

➧ Sprengstoff ist immer etwas Heikles

Umgang mit Sprengstoff ist nicht jedermanns Sache. Für manche Menschen ist das aber der wesentliche Inhalt ihres Berufs. Verständlich, dass solche Personen für sich ein gewisses Risiko sehen, Opfer von Verbrechern zu werden. Denn für manche Kriminelle ist Sprengstoff eine hochinteressante Sache. Nur zu gern würden sie ihn in die Hände bekommen. Das wäre ihnen allemal ein Raub oder eine Entführung wert.

➧ Ein Geschäftsführer fühlt sich gefährdet

So argumentierte der Geschäftsführer einer GmbH, der von Berufs wegen mit Sprengstoff umgehen muss. Er sieht für sich persönlich das Risiko, Zielscheibe von Kriminellen zu werden. Dennoch trug das zuständige Registergericht seinen Namen, sein Geburtsdatum und den bei der Anmeldung zum Handelsregister angegebenen Wohnort in das Handelsregister ein. Damit waren diese Daten allgemein öffentlich verfügbar. Der Geschäftsführer fordert, dass sein Geburtsdatum und sein Wohnort aus dem Handelsregister entfernt werden. Dies sei zu seinem persönlichen Schutz notwendig.

➧ Das Registergericht bleibt aber unbeeindruckt

Der Geschäftsführer meinte, für seine Argumentation einen regelrechten Joker in der Hand zu haben. Denn das zuständige Einwohnermeldeamt hatte für ihn längst eine Auskunftssperre wegen Gefährdung eingetragen, die Auskünfte aus dem Melderegister abblocken kann. Dies ist im Bundesmeldegesetz (BMG) für den Fall vorgesehen, dass durch eine Melderegisterauskunft eine Gefahr für Leben, Gesundheit, persönliche Freiheit oder ähnliche schutzwürdige Interessen eines Einwohners entstehen kann (§ 51 BMG). Doch auch dies beeindruckte das Registergericht nicht. Es blieb dabei, dass der Handelsregistereintrag das Geburtsdatum und den Wohnort des GmbH-Geschäftsführers enthalten muss.

➧ Die DSGVO ist eindeutig anwendbar

Dass die DSGVO im vorliegenden Fall vom Prinzip her anwendbar ist, liegt für den BGH auf der Hand. Denn bei Geburtsdatum und Wohnort des Geschäftsführers handelt es sich um personenbezogene Daten. Diese Daten verarbeitet das Registergericht. Eine Verarbeitung erfolgt dabei bereits durch die Eintragung und Speicherung dieser Daten im Handelsregister. Hinzu kommt, dass die Einsichtnahme in das Handelsregister durch Interessenten ohne Einschränkungen gestattet ist (siehe §§ 9, 10 Absatz 2 Handelsgesetzbuch). Auch darin liegt eine Verarbeitung dieser Daten durch das Registergericht.

➧ Der BGH sieht aber keinen Anspruch auf Löschung der Daten

Art. 17 DSGVO gibt betroffenen Personen unter bestimmten Voraussetzungen das Recht, die Löschung von personenbezogenen Daten zu verlangen. Allerdings schließt die DSGVO einen solchen Anspruch für bestimmte Fallkonstellationen generell aus. Hier setzt der BGH an. Ein Löschungsanspruch besteht nämlich nicht, wenn die Verarbeitung der Daten erforderlich ist, um eine rechtliche Verpflichtung zu erfüllen, die sich aus dem Recht des jeweiligen Mitgliedstaats ergibt (Art. 17 Abs. 3 Buchstabe b DSGVO). Den Voraussetzungen dieser Ausnahme widmet sich der BGH bis ins Detail.

➧ Das Geburtsdatum im Handelsregister ist so vorgesehen

Da Art. 17 Abs. 3 Buchstabe b DSGVO auf das nationale Recht des jeweiligen Mitgliedstaates verweist, schildert der BGH zunächst die Vorgaben des deutschen Rechts für das Geburtsdatum. Hier tut er sich relativ leicht. Denn es besteht die gesetzliche Pflicht, eine GmbH zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden (§ 7 Abs.1 GmbH-Gesetz). Dabei ist ausdrücklich auch das Geburtsdatum des Geschäftsführers anzugeben (§ 24 Abs:1 Handelsregisterverordnung). Damit ist eine entsprechende Vorgabe des deutschen nationalen Rechts gegeben.

➧ Deutlich schwieriger wird es beim Wohnort

Eine entsprechende ausdrückliche Regelung für die Angabe des Wohnorts gibt es nicht. Nach Auffassung des BGH ist es jedoch gewohnheitsrechtlich verankert, dass der Wohnort des Geschäftsführers aus dem Handelsregister zu ersehen sein muss. Dabei betont er, dass Gewohnheitsrecht als Rechtsquelle gleichwertig neben dem Gesetzesrecht steht. Dabei beruft er sich auf eine entsprechende Praxis der Registergerichte jedenfalls seit dem Jahr 1898. Sie ist damit älter als das BGB, das am 1.1.1900 in Kraft getreten ist. Seither sei nie bestritten worden, dass der Wohnort des Geschäftsführers anzugeben ist. Dies werde seither ständig so gehandhabt und allgemein als verbindlich anerkannt. Kritische Stimmen hierzu in Rechtsprechung oder Literatur konnte der BGH nicht feststellen.

➧ Die DSGVO spricht von „Recht“, nicht von „Gesetz“

Dass sich der BGH auf eine gewohnheitsrechtlich Handhabung beruft, wird manche Datenschützer irritieren. Denn sie sind es gewohnt, dass für die Verarbeitung von personenbezogenen Daten ausdrückliche Normen in Gesetzen vorhanden sind, allenfalls noch in Verordnungen, die auf der Basis von Gesetzen erlassen wurden. Dem BGH ist jedoch zuzugeben, dass Art. 17 Abs. 3 Buchstabe b DSGVO nicht etwa von rechtlichen Verpflichtungen spricht, die sich aus gesetzlichen Vorgaben der Mitgliedstaaten ergeben. Vielmehr verwendet die DSGVO dort die Formulierung „Recht … der Mitgliedstaaten“. Damit ist jedenfalls vom Ansatz her auch Raum für die Berücksichtigung von Gewohnheitsrecht.

➧ Die Angaben dienen einem legitimen Zweck

Die bisher dargestellte Argumentation des BGH wird dadurch gestützt, dass die Angabe von Geburtsdatum und Wohnort eines GmbH-Geschäftsführers einem öffentlichen Interesse dient. Auf diesen Aspekt stellt die DSGVO für die Rechtmäßigkeit einer Verarbeitung selbst ausdrücklich ab (siehe Art. 6 Abs. 3 Sätze 2 und 4 DSGVO). Der Rechtsverkehr hat ein schützenswertes Interesse daran, sich aus dem Handelsregister zuverlässig über Name, Geburtsdatum und Wohnort eines GmbH-Geschäftsführers informieren zu können. Denn der Geschäftsführer ist derjenige, der zur Vertretung der GmbH nach außen berechtigt ist. Deshalb sind Grundinformationen über ihn notwendig.

➧ Die Zugänglichkeit der Angaben im Internet ist geboten

Vor Inkrafttreten der DSGVO hatte der EuGH schon einmal einen ähnlichen Fall zu beurteilen. Damals akzeptierte der EuGH, dass die „Personalien“ eines GmbH-Geschäftsführers für die Öffentlichkeit zugänglich sein müssen (siehe EuGH, Urteil vom 9.3.2017 – C-389/15, Fall Salvatore Manni; bei Eingabe des Aktenzeichens problemlos im Internet abrufbar). Das gilt laut BGH unverändert: „Das Ziel, jeder interessierten Person die Möglichkeit zu geben, sich möglichst … ohne zeitliche Verzögerung durch eine zuverlässige Informationsquelle Kenntnis von den wesentlichen Angaben über die Gründung der Handelsgesellschaften und über die mit ihrer Vertretung betrauten Personen zu verschaffen, lässt sich nur durch die Gewährung des schrankenlosen … Zugangs zu diesen Daten im Internet erreichen.“

➧ Die Angabe des Wohnorts hat eine wichtige Funktion

Nur mithilfe des Wohnorts lässt sich das für den GmbH-Geschäftsführer zuständige Einwohnermeldeamt herauszufinden. Mithilfe der weiteren Angaben (Name und Geburtsdatum des Geschäftsführers) ist es dann möglich, über eine sogenannte „einfache Melderegisterauskunft“ gemäß § 44 Bundesmeldegesetz (BMG) die Privatanschrift des Geschäftsführers zu ermitteln. Sie wird gebraucht, wenn Ansprüche gegen den Geschäftsführer persönlich geltend gemacht werden sollen und zu diesem Zweck beispielsweise eine Klageschrift zugestellt werden soll.

➧ Wirtschaftlich Tätige müssen mit Einschränkungen leben

Wer GmbH-Geschäftsführer wird, muss mit einer gewissen Einschränkung des Schutzes seiner personenbezogenen Daten leben. Dabei argumentiert der BGH dabei in etwa so: Niemand ist gezwungen, GmbH-Geschäftsführer zu werden. Jedem der sich darauf einlässt, ist bekannt, dass bestimmte Basisdaten über ihn im Handelsregister zugänglich sind. Dabei handelt es sich jedoch nur um einige wenige Daten, die zudem nicht besonders sensibel sind. Vor allem muss lediglich der Wohnort angegeben werden, nicht jedoch die vollständige Anschrift. Dies verringert die Intensität des Eingriffs. Wer diese Überlegungen in geschliffenem Juristendeutsch lesen will, möge zu Rn. 47-56 des BGH-Urteils greifen.

➧ Eine „allgemein erhöhte Gefährdungslage“ reicht nicht

Der GmbH-Geschäftsführer hatte argumentiert, bei ihm bestehe wegen des beruflich notwendigen Umgangs mit Sprengstoffen eine besondere Gefährdungslage. Diese Überlegung lässt der BGH jedoch nicht gelten. Sein Argument: Eine solche allgemein erhöhte Gefährdungslage kommt auch bei vielen anderen beruflichen Tätigkeiten vor. Wenn man in all diesen Fällen Ausnahmen von der Veröffentlichung der Basisdaten eines GmbH-Geschäftsführers zulassen würde, wäre die Informationsfunktion des Handelsregisters nicht mehr gewährleistet.

➧ Das Bundesverwaltungsgericht sah es genauso

Überraschenderweise geht der BGH nicht auf eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) ein, die seine Auffassung stützt. Wie ausgeführt, hatte der GmbH-Geschäftsführer erreicht, dass das zuständige Einwohnermeldeamt für ihn eine Auskunftssperre wegen Gefährdung im Melderegister eingetragen hat. Ob das zurecht geschah, ist stark zu bezweifeln. Das BVerwG legt insoweit nämlich strengste Maßstäbe an. Leitentscheidung hierzu ist der Fall einer Bewährungshelferin, die eine Auskunftssperre wegen Gefährdung im Melderegister eingetragen haben wollte. Dass sie keinen leichten Job hat und immer wieder kritischen Situationen ausgesetzt ist, bezweifelte auch das BVerwG nicht. Dennoch verweigerte es der Frau die Eintragung einer Auskunftssperre wegen Gefährdung.

➧ Auch ihm genügt eine abstrakte Gefährdungslage nicht

Das Argument des Gerichts: Nur wenn nachgewiesen werden kann, dass für alle Angehörigen einer Berufsgruppe eine bestimmte abstrakte Gefährdungslage besteht, rechtfertigt sie  die Eintragung einer Auskunftssperre wegen Gefährdung im Melderegister. Ansonsten reicht eine abstrakte Gefährdungslage dafür nicht. Anders sieht es bei einer konkreten Gefährdungslage aus, wenn also zum Beispiel jemand persönlich bedroht worden ist. So das Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 14.2.2017 – 6 B 49.16. Bei Eingabe des Aktenzeichens ist der Beschluss im Internet leicht zu finden.

➧ Die Folgerungen für die Praxis liegen auf der Hand

Wer Geschäftsführer einer GmbH wird, muss damit leben, dass Geburtsdatum und Wohnort veröffentlicht werden. Mithilfe dieser Angaben ist im Allgemeinen seine Privatanschrift problemlos herauszufinden. Wer das nicht will, muss zur Not auf die Geschäftsführer-Funktion verzichten. Jedenfalls bisher wurde aber noch nicht von Fällen berichtet, in denen jemand sich den Wohnort eines Geschäftsführers aus dem Handelsregister besorgt hat, um ihm dann „ans Leder zu gehen“. Möglicherweise hat der BGH also schlicht recht damit, dass solche Gefahren gering einzuschätzen sind.

➧ Hier ist die Entscheidung des BGH zu finden

Bei der in diesem Newsletter dargestellten BGH-Entscheidung handelt es sich um den Beschluss des BGH vom 23.1.2024. Er ist bei Eingabe des Aktenzeichens II ZB 7/23 im Internet problemlos zu finden. Seine vollständige Lektüre erfordert bei einem Umfang von 41 Seiten mit 90 Randnummern einen gewissen Aufwand.

Dr. Eugen Ehmann

Urteil
/ 15. April 2024

Datenschutz-Informationen mit Icons

Geburtsdatum und Wohnort von GmbH-Geschäftsführern gehören ins Handelsregister. Dabei bleibt es trotz DSGVO. So die klare Ansage des Bundesgerichtshofs (BGH). Zur Begründung beruft er sich umfangreich auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH). Das macht die Entscheidung des BGH grundsätzlich bedeutsam.

➧ Sprengstoff ist immer etwas Heikles

Umgang mit Sprengstoff ist nicht jedermanns Sache. Für manche Menschen ist das aber der wesentliche Inhalt ihres Berufs. Verständlich, dass solche Personen für sich ein gewisses Risiko sehen, Opfer von Verbrechern zu werden. Denn für manche Kriminelle ist Sprengstoff eine hochinteressante Sache. Nur zu gern würden sie ihn in die Hände bekommen. Das wäre ihnen allemal ein Raub oder eine Entführung wert.

➧ Ein Geschäftsführer fühlt sich gefährdet

So argumentierte der Geschäftsführer einer GmbH, der von Berufs wegen mit Sprengstoff umgehen muss. Er sieht für sich persönlich das Risiko, Zielscheibe von Kriminellen zu werden. Dennoch trug das zuständige Registergericht seinen Namen, sein Geburtsdatum und den bei der Anmeldung zum Handelsregister angegebenen Wohnort in das Handelsregister ein. Damit waren diese Daten allgemein öffentlich verfügbar. Der Geschäftsführer fordert, dass sein Geburtsdatum und sein Wohnort aus dem Handelsregister entfernt werden. Dies sei zu seinem persönlichen Schutz notwendig.

➧ Das Registergericht bleibt aber unbeeindruckt

Der Geschäftsführer meinte, für seine Argumentation einen regelrechten Joker in der Hand zu haben. Denn das zuständige Einwohnermeldeamt hatte für ihn längst eine Auskunftssperre wegen Gefährdung eingetragen, die Auskünfte aus dem Melderegister abblocken kann. Dies ist im Bundesmeldegesetz (BMG) für den Fall vorgesehen, dass durch eine Melderegisterauskunft eine Gefahr für Leben, Gesundheit, persönliche Freiheit oder ähnliche schutzwürdige Interessen eines Einwohners entstehen kann (§ 51 BMG). Doch auch dies beeindruckte das Registergericht nicht. Es blieb dabei, dass der Handelsregistereintrag das Geburtsdatum und den Wohnort des GmbH-Geschäftsführers enthalten muss.

➧ Die DSGVO ist eindeutig anwendbar

Dass die DSGVO im vorliegenden Fall vom Prinzip her anwendbar ist, liegt für den BGH auf der Hand. Denn bei Geburtsdatum und Wohnort des Geschäftsführers handelt es sich um personenbezogene Daten. Diese Daten verarbeitet das Registergericht. Eine Verarbeitung erfolgt dabei bereits durch die Eintragung und Speicherung dieser Daten im Handelsregister. Hinzu kommt, dass die Einsichtnahme in das Handelsregister durch Interessenten ohne Einschränkungen gestattet ist (siehe §§ 9, 10 Absatz 2 Handelsgesetzbuch). Auch darin liegt eine Verarbeitung dieser Daten durch das Registergericht.

➧ Der BGH sieht aber keinen Anspruch auf Löschung der Daten

Art. 17 DSGVO gibt betroffenen Personen unter bestimmten Voraussetzungen das Recht, die Löschung von personenbezogenen Daten zu verlangen. Allerdings schließt die DSGVO einen solchen Anspruch für bestimmte Fallkonstellationen generell aus. Hier setzt der BGH an. Ein Löschungsanspruch besteht nämlich nicht, wenn die Verarbeitung der Daten erforderlich ist, um eine rechtliche Verpflichtung zu erfüllen, die sich aus dem Recht des jeweiligen Mitgliedstaats ergibt (Art. 17 Abs. 3 Buchstabe b DSGVO). Den Voraussetzungen dieser Ausnahme widmet sich der BGH bis ins Detail.

➧ Das Geburtsdatum im Handelsregister ist so vorgesehen

Da Art. 17 Abs. 3 Buchstabe b DSGVO auf das nationale Recht des jeweiligen Mitgliedstaates verweist, schildert der BGH zunächst die Vorgaben des deutschen Rechts für das Geburtsdatum. Hier tut er sich relativ leicht. Denn es besteht die gesetzliche Pflicht, eine GmbH zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden (§ 7 Abs.1 GmbH-Gesetz). Dabei ist ausdrücklich auch das Geburtsdatum des Geschäftsführers anzugeben (§ 24 Abs:1 Handelsregisterverordnung). Damit ist eine entsprechende Vorgabe des deutschen nationalen Rechts gegeben.

➧ Deutlich schwieriger wird es beim Wohnort

Eine entsprechende ausdrückliche Regelung für die Angabe des Wohnorts gibt es nicht. Nach Auffassung des BGH ist es jedoch gewohnheitsrechtlich verankert, dass der Wohnort des Geschäftsführers aus dem Handelsregister zu ersehen sein muss. Dabei betont er, dass Gewohnheitsrecht als Rechtsquelle gleichwertig neben dem Gesetzesrecht steht. Dabei beruft er sich auf eine entsprechende Praxis der Registergerichte jedenfalls seit dem Jahr 1898. Sie ist damit älter als das BGB, das am 1.1.1900 in Kraft getreten ist. Seither sei nie bestritten worden, dass der Wohnort des Geschäftsführers anzugeben ist. Dies werde seither ständig so gehandhabt und allgemein als verbindlich anerkannt. Kritische Stimmen hierzu in Rechtsprechung oder Literatur konnte der BGH nicht feststellen.

➧ Die DSGVO spricht von „Recht“, nicht von „Gesetz“

Dass sich der BGH auf eine gewohnheitsrechtlich Handhabung beruft, wird manche Datenschützer irritieren. Denn sie sind es gewohnt, dass für die Verarbeitung von personenbezogenen Daten ausdrückliche Normen in Gesetzen vorhanden sind, allenfalls noch in Verordnungen, die auf der Basis von Gesetzen erlassen wurden. Dem BGH ist jedoch zuzugeben, dass Art. 17 Abs. 3 Buchstabe b DSGVO nicht etwa von rechtlichen Verpflichtungen spricht, die sich aus gesetzlichen Vorgaben der Mitgliedstaaten ergeben. Vielmehr verwendet die DSGVO dort die Formulierung „Recht … der Mitgliedstaaten“. Damit ist jedenfalls vom Ansatz her auch Raum für die Berücksichtigung von Gewohnheitsrecht.

➧ Die Angaben dienen einem legitimen Zweck

Die bisher dargestellte Argumentation des BGH wird dadurch gestützt, dass die Angabe von Geburtsdatum und Wohnort eines GmbH-Geschäftsführers einem öffentlichen Interesse dient. Auf diesen Aspekt stellt die DSGVO für die Rechtmäßigkeit einer Verarbeitung selbst ausdrücklich ab (siehe Art. 6 Abs. 3 Sätze 2 und 4 DSGVO). Der Rechtsverkehr hat ein schützenswertes Interesse daran, sich aus dem Handelsregister zuverlässig über Name, Geburtsdatum und Wohnort eines GmbH-Geschäftsführers informieren zu können. Denn der Geschäftsführer ist derjenige, der zur Vertretung der GmbH nach außen berechtigt ist. Deshalb sind Grundinformationen über ihn notwendig.

➧ Die Zugänglichkeit der Angaben im Internet ist geboten

Vor Inkrafttreten der DSGVO hatte der EuGH schon einmal einen ähnlichen Fall zu beurteilen. Damals akzeptierte der EuGH, dass die „Personalien“ eines GmbH-Geschäftsführers für die Öffentlichkeit zugänglich sein müssen (siehe EuGH, Urteil vom 9.3.2017 – C-389/15, Fall Salvatore Manni; bei Eingabe des Aktenzeichens problemlos im Internet abrufbar). Das gilt laut BGH unverändert: „Das Ziel, jeder interessierten Person die Möglichkeit zu geben, sich möglichst … ohne zeitliche Verzögerung durch eine zuverlässige Informationsquelle Kenntnis von den wesentlichen Angaben über die Gründung der Handelsgesellschaften und über die mit ihrer Vertretung betrauten Personen zu verschaffen, lässt sich nur durch die Gewährung des schrankenlosen … Zugangs zu diesen Daten im Internet erreichen.“

➧ Die Angabe des Wohnorts hat eine wichtige Funktion

Nur mithilfe des Wohnorts lässt sich das für den GmbH-Geschäftsführer zuständige Einwohnermeldeamt herauszufinden. Mithilfe der weiteren Angaben (Name und Geburtsdatum des Geschäftsführers) ist es dann möglich, über eine sogenannte „einfache Melderegisterauskunft“ gemäß § 44 Bundesmeldegesetz (BMG) die Privatanschrift des Geschäftsführers zu ermitteln. Sie wird gebraucht, wenn Ansprüche gegen den Geschäftsführer persönlich geltend gemacht werden sollen und zu diesem Zweck beispielsweise eine Klageschrift zugestellt werden soll.

➧ Wirtschaftlich Tätige müssen mit Einschränkungen leben

Wer GmbH-Geschäftsführer wird, muss mit einer gewissen Einschränkung des Schutzes seiner personenbezogenen Daten leben. Dabei argumentiert der BGH dabei in etwa so: Niemand ist gezwungen, GmbH-Geschäftsführer zu werden. Jedem der sich darauf einlässt, ist bekannt, dass bestimmte Basisdaten über ihn im Handelsregister zugänglich sind. Dabei handelt es sich jedoch nur um einige wenige Daten, die zudem nicht besonders sensibel sind. Vor allem muss lediglich der Wohnort angegeben werden, nicht jedoch die vollständige Anschrift. Dies verringert die Intensität des Eingriffs. Wer diese Überlegungen in geschliffenem Juristendeutsch lesen will, möge zu Rn. 47-56 des BGH-Urteils greifen.

➧ Eine „allgemein erhöhte Gefährdungslage“ reicht nicht

Der GmbH-Geschäftsführer hatte argumentiert, bei ihm bestehe wegen des beruflich notwendigen Umgangs mit Sprengstoffen eine besondere Gefährdungslage. Diese Überlegung lässt der BGH jedoch nicht gelten. Sein Argument: Eine solche allgemein erhöhte Gefährdungslage kommt auch bei vielen anderen beruflichen Tätigkeiten vor. Wenn man in all diesen Fällen Ausnahmen von der Veröffentlichung der Basisdaten eines GmbH-Geschäftsführers zulassen würde, wäre die Informationsfunktion des Handelsregisters nicht mehr gewährleistet.

➧ Das Bundesverwaltungsgericht sah es genauso

Überraschenderweise geht der BGH nicht auf eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) ein, die seine Auffassung stützt. Wie ausgeführt, hatte der GmbH-Geschäftsführer erreicht, dass das zuständige Einwohnermeldeamt für ihn eine Auskunftssperre wegen Gefährdung im Melderegister eingetragen hat. Ob das zurecht geschah, ist stark zu bezweifeln. Das BVerwG legt insoweit nämlich strengste Maßstäbe an. Leitentscheidung hierzu ist der Fall einer Bewährungshelferin, die eine Auskunftssperre wegen Gefährdung im Melderegister eingetragen haben wollte. Dass sie keinen leichten Job hat und immer wieder kritischen Situationen ausgesetzt ist, bezweifelte auch das BVerwG nicht. Dennoch verweigerte es der Frau die Eintragung einer Auskunftssperre wegen Gefährdung.

➧ Auch ihm genügt eine abstrakte Gefährdungslage nicht

Das Argument des Gerichts: Nur wenn nachgewiesen werden kann, dass für alle Angehörigen einer Berufsgruppe eine bestimmte abstrakte Gefährdungslage besteht, rechtfertigt sie  die Eintragung einer Auskunftssperre wegen Gefährdung im Melderegister. Ansonsten reicht eine abstrakte Gefährdungslage dafür nicht. Anders sieht es bei einer konkreten Gefährdungslage aus, wenn also zum Beispiel jemand persönlich bedroht worden ist. So das Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 14.2.2017 – 6 B 49.16. Bei Eingabe des Aktenzeichens ist der Beschluss im Internet leicht zu finden.

➧ Die Folgerungen für die Praxis liegen auf der Hand

Wer Geschäftsführer einer GmbH wird, muss damit leben, dass Geburtsdatum und Wohnort veröffentlicht werden. Mithilfe dieser Angaben ist im Allgemeinen seine Privatanschrift problemlos herauszufinden. Wer das nicht will, muss zur Not auf die Geschäftsführer-Funktion verzichten. Jedenfalls bisher wurde aber noch nicht von Fällen berichtet, in denen jemand sich den Wohnort eines Geschäftsführers aus dem Handelsregister besorgt hat, um ihm dann „ans Leder zu gehen“. Möglicherweise hat der BGH also schlicht recht damit, dass solche Gefahren gering einzuschätzen sind.

➧ Hier ist die Entscheidung des BGH zu finden

Bei der in diesem Newsletter dargestellten BGH-Entscheidung handelt es sich um den Beschluss des BGH vom 23.1.2024. Er ist bei Eingabe des Aktenzeichens II ZB 7/23 im Internet problemlos zu finden. Seine vollständige Lektüre erfordert bei einem Umfang von 41 Seiten mit 90 Randnummern einen gewissen Aufwand.

Dr. Eugen Ehmann

Urteil
/ 15. April 2024

Auskunftsersuchen: So gehen Sie richtig damit um

Geburtsdatum und Wohnort von GmbH-Geschäftsführern gehören ins Handelsregister. Dabei bleibt es trotz DSGVO. So die klare Ansage des Bundesgerichtshofs (BGH). Zur Begründung beruft er sich umfangreich auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH). Das macht die Entscheidung des BGH grundsätzlich bedeutsam.

➧ Sprengstoff ist immer etwas Heikles

Umgang mit Sprengstoff ist nicht jedermanns Sache. Für manche Menschen ist das aber der wesentliche Inhalt ihres Berufs. Verständlich, dass solche Personen für sich ein gewisses Risiko sehen, Opfer von Verbrechern zu werden. Denn für manche Kriminelle ist Sprengstoff eine hochinteressante Sache. Nur zu gern würden sie ihn in die Hände bekommen. Das wäre ihnen allemal ein Raub oder eine Entführung wert.

➧ Ein Geschäftsführer fühlt sich gefährdet

So argumentierte der Geschäftsführer einer GmbH, der von Berufs wegen mit Sprengstoff umgehen muss. Er sieht für sich persönlich das Risiko, Zielscheibe von Kriminellen zu werden. Dennoch trug das zuständige Registergericht seinen Namen, sein Geburtsdatum und den bei der Anmeldung zum Handelsregister angegebenen Wohnort in das Handelsregister ein. Damit waren diese Daten allgemein öffentlich verfügbar. Der Geschäftsführer fordert, dass sein Geburtsdatum und sein Wohnort aus dem Handelsregister entfernt werden. Dies sei zu seinem persönlichen Schutz notwendig.

➧ Das Registergericht bleibt aber unbeeindruckt

Der Geschäftsführer meinte, für seine Argumentation einen regelrechten Joker in der Hand zu haben. Denn das zuständige Einwohnermeldeamt hatte für ihn längst eine Auskunftssperre wegen Gefährdung eingetragen, die Auskünfte aus dem Melderegister abblocken kann. Dies ist im Bundesmeldegesetz (BMG) für den Fall vorgesehen, dass durch eine Melderegisterauskunft eine Gefahr für Leben, Gesundheit, persönliche Freiheit oder ähnliche schutzwürdige Interessen eines Einwohners entstehen kann (§ 51 BMG). Doch auch dies beeindruckte das Registergericht nicht. Es blieb dabei, dass der Handelsregistereintrag das Geburtsdatum und den Wohnort des GmbH-Geschäftsführers enthalten muss.

➧ Die DSGVO ist eindeutig anwendbar

Dass die DSGVO im vorliegenden Fall vom Prinzip her anwendbar ist, liegt für den BGH auf der Hand. Denn bei Geburtsdatum und Wohnort des Geschäftsführers handelt es sich um personenbezogene Daten. Diese Daten verarbeitet das Registergericht. Eine Verarbeitung erfolgt dabei bereits durch die Eintragung und Speicherung dieser Daten im Handelsregister. Hinzu kommt, dass die Einsichtnahme in das Handelsregister durch Interessenten ohne Einschränkungen gestattet ist (siehe §§ 9, 10 Absatz 2 Handelsgesetzbuch). Auch darin liegt eine Verarbeitung dieser Daten durch das Registergericht.

➧ Der BGH sieht aber keinen Anspruch auf Löschung der Daten

Art. 17 DSGVO gibt betroffenen Personen unter bestimmten Voraussetzungen das Recht, die Löschung von personenbezogenen Daten zu verlangen. Allerdings schließt die DSGVO einen solchen Anspruch für bestimmte Fallkonstellationen generell aus. Hier setzt der BGH an. Ein Löschungsanspruch besteht nämlich nicht, wenn die Verarbeitung der Daten erforderlich ist, um eine rechtliche Verpflichtung zu erfüllen, die sich aus dem Recht des jeweiligen Mitgliedstaats ergibt (Art. 17 Abs. 3 Buchstabe b DSGVO). Den Voraussetzungen dieser Ausnahme widmet sich der BGH bis ins Detail.

➧ Das Geburtsdatum im Handelsregister ist so vorgesehen

Da Art. 17 Abs. 3 Buchstabe b DSGVO auf das nationale Recht des jeweiligen Mitgliedstaates verweist, schildert der BGH zunächst die Vorgaben des deutschen Rechts für das Geburtsdatum. Hier tut er sich relativ leicht. Denn es besteht die gesetzliche Pflicht, eine GmbH zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden (§ 7 Abs.1 GmbH-Gesetz). Dabei ist ausdrücklich auch das Geburtsdatum des Geschäftsführers anzugeben (§ 24 Abs:1 Handelsregisterverordnung). Damit ist eine entsprechende Vorgabe des deutschen nationalen Rechts gegeben.

➧ Deutlich schwieriger wird es beim Wohnort

Eine entsprechende ausdrückliche Regelung für die Angabe des Wohnorts gibt es nicht. Nach Auffassung des BGH ist es jedoch gewohnheitsrechtlich verankert, dass der Wohnort des Geschäftsführers aus dem Handelsregister zu ersehen sein muss. Dabei betont er, dass Gewohnheitsrecht als Rechtsquelle gleichwertig neben dem Gesetzesrecht steht. Dabei beruft er sich auf eine entsprechende Praxis der Registergerichte jedenfalls seit dem Jahr 1898. Sie ist damit älter als das BGB, das am 1.1.1900 in Kraft getreten ist. Seither sei nie bestritten worden, dass der Wohnort des Geschäftsführers anzugeben ist. Dies werde seither ständig so gehandhabt und allgemein als verbindlich anerkannt. Kritische Stimmen hierzu in Rechtsprechung oder Literatur konnte der BGH nicht feststellen.

➧ Die DSGVO spricht von „Recht“, nicht von „Gesetz“

Dass sich der BGH auf eine gewohnheitsrechtlich Handhabung beruft, wird manche Datenschützer irritieren. Denn sie sind es gewohnt, dass für die Verarbeitung von personenbezogenen Daten ausdrückliche Normen in Gesetzen vorhanden sind, allenfalls noch in Verordnungen, die auf der Basis von Gesetzen erlassen wurden. Dem BGH ist jedoch zuzugeben, dass Art. 17 Abs. 3 Buchstabe b DSGVO nicht etwa von rechtlichen Verpflichtungen spricht, die sich aus gesetzlichen Vorgaben der Mitgliedstaaten ergeben. Vielmehr verwendet die DSGVO dort die Formulierung „Recht … der Mitgliedstaaten“. Damit ist jedenfalls vom Ansatz her auch Raum für die Berücksichtigung von Gewohnheitsrecht.

➧ Die Angaben dienen einem legitimen Zweck

Die bisher dargestellte Argumentation des BGH wird dadurch gestützt, dass die Angabe von Geburtsdatum und Wohnort eines GmbH-Geschäftsführers einem öffentlichen Interesse dient. Auf diesen Aspekt stellt die DSGVO für die Rechtmäßigkeit einer Verarbeitung selbst ausdrücklich ab (siehe Art. 6 Abs. 3 Sätze 2 und 4 DSGVO). Der Rechtsverkehr hat ein schützenswertes Interesse daran, sich aus dem Handelsregister zuverlässig über Name, Geburtsdatum und Wohnort eines GmbH-Geschäftsführers informieren zu können. Denn der Geschäftsführer ist derjenige, der zur Vertretung der GmbH nach außen berechtigt ist. Deshalb sind Grundinformationen über ihn notwendig.

➧ Die Zugänglichkeit der Angaben im Internet ist geboten

Vor Inkrafttreten der DSGVO hatte der EuGH schon einmal einen ähnlichen Fall zu beurteilen. Damals akzeptierte der EuGH, dass die „Personalien“ eines GmbH-Geschäftsführers für die Öffentlichkeit zugänglich sein müssen (siehe EuGH, Urteil vom 9.3.2017 – C-389/15, Fall Salvatore Manni; bei Eingabe des Aktenzeichens problemlos im Internet abrufbar). Das gilt laut BGH unverändert: „Das Ziel, jeder interessierten Person die Möglichkeit zu geben, sich möglichst … ohne zeitliche Verzögerung durch eine zuverlässige Informationsquelle Kenntnis von den wesentlichen Angaben über die Gründung der Handelsgesellschaften und über die mit ihrer Vertretung betrauten Personen zu verschaffen, lässt sich nur durch die Gewährung des schrankenlosen … Zugangs zu diesen Daten im Internet erreichen.“

➧ Die Angabe des Wohnorts hat eine wichtige Funktion

Nur mithilfe des Wohnorts lässt sich das für den GmbH-Geschäftsführer zuständige Einwohnermeldeamt herauszufinden. Mithilfe der weiteren Angaben (Name und Geburtsdatum des Geschäftsführers) ist es dann möglich, über eine sogenannte „einfache Melderegisterauskunft“ gemäß § 44 Bundesmeldegesetz (BMG) die Privatanschrift des Geschäftsführers zu ermitteln. Sie wird gebraucht, wenn Ansprüche gegen den Geschäftsführer persönlich geltend gemacht werden sollen und zu diesem Zweck beispielsweise eine Klageschrift zugestellt werden soll.

➧ Wirtschaftlich Tätige müssen mit Einschränkungen leben

Wer GmbH-Geschäftsführer wird, muss mit einer gewissen Einschränkung des Schutzes seiner personenbezogenen Daten leben. Dabei argumentiert der BGH dabei in etwa so: Niemand ist gezwungen, GmbH-Geschäftsführer zu werden. Jedem der sich darauf einlässt, ist bekannt, dass bestimmte Basisdaten über ihn im Handelsregister zugänglich sind. Dabei handelt es sich jedoch nur um einige wenige Daten, die zudem nicht besonders sensibel sind. Vor allem muss lediglich der Wohnort angegeben werden, nicht jedoch die vollständige Anschrift. Dies verringert die Intensität des Eingriffs. Wer diese Überlegungen in geschliffenem Juristendeutsch lesen will, möge zu Rn. 47-56 des BGH-Urteils greifen.

➧ Eine „allgemein erhöhte Gefährdungslage“ reicht nicht

Der GmbH-Geschäftsführer hatte argumentiert, bei ihm bestehe wegen des beruflich notwendigen Umgangs mit Sprengstoffen eine besondere Gefährdungslage. Diese Überlegung lässt der BGH jedoch nicht gelten. Sein Argument: Eine solche allgemein erhöhte Gefährdungslage kommt auch bei vielen anderen beruflichen Tätigkeiten vor. Wenn man in all diesen Fällen Ausnahmen von der Veröffentlichung der Basisdaten eines GmbH-Geschäftsführers zulassen würde, wäre die Informationsfunktion des Handelsregisters nicht mehr gewährleistet.

➧ Das Bundesverwaltungsgericht sah es genauso

Überraschenderweise geht der BGH nicht auf eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) ein, die seine Auffassung stützt. Wie ausgeführt, hatte der GmbH-Geschäftsführer erreicht, dass das zuständige Einwohnermeldeamt für ihn eine Auskunftssperre wegen Gefährdung im Melderegister eingetragen hat. Ob das zurecht geschah, ist stark zu bezweifeln. Das BVerwG legt insoweit nämlich strengste Maßstäbe an. Leitentscheidung hierzu ist der Fall einer Bewährungshelferin, die eine Auskunftssperre wegen Gefährdung im Melderegister eingetragen haben wollte. Dass sie keinen leichten Job hat und immer wieder kritischen Situationen ausgesetzt ist, bezweifelte auch das BVerwG nicht. Dennoch verweigerte es der Frau die Eintragung einer Auskunftssperre wegen Gefährdung.

➧ Auch ihm genügt eine abstrakte Gefährdungslage nicht

Das Argument des Gerichts: Nur wenn nachgewiesen werden kann, dass für alle Angehörigen einer Berufsgruppe eine bestimmte abstrakte Gefährdungslage besteht, rechtfertigt sie  die Eintragung einer Auskunftssperre wegen Gefährdung im Melderegister. Ansonsten reicht eine abstrakte Gefährdungslage dafür nicht. Anders sieht es bei einer konkreten Gefährdungslage aus, wenn also zum Beispiel jemand persönlich bedroht worden ist. So das Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 14.2.2017 – 6 B 49.16. Bei Eingabe des Aktenzeichens ist der Beschluss im Internet leicht zu finden.

➧ Die Folgerungen für die Praxis liegen auf der Hand

Wer Geschäftsführer einer GmbH wird, muss damit leben, dass Geburtsdatum und Wohnort veröffentlicht werden. Mithilfe dieser Angaben ist im Allgemeinen seine Privatanschrift problemlos herauszufinden. Wer das nicht will, muss zur Not auf die Geschäftsführer-Funktion verzichten. Jedenfalls bisher wurde aber noch nicht von Fällen berichtet, in denen jemand sich den Wohnort eines Geschäftsführers aus dem Handelsregister besorgt hat, um ihm dann „ans Leder zu gehen“. Möglicherweise hat der BGH also schlicht recht damit, dass solche Gefahren gering einzuschätzen sind.

➧ Hier ist die Entscheidung des BGH zu finden

Bei der in diesem Newsletter dargestellten BGH-Entscheidung handelt es sich um den Beschluss des BGH vom 23.1.2024. Er ist bei Eingabe des Aktenzeichens II ZB 7/23 im Internet problemlos zu finden. Seine vollständige Lektüre erfordert bei einem Umfang von 41 Seiten mit 90 Randnummern einen gewissen Aufwand.

Dr. Eugen Ehmann

Urteil
/ 15. April 2024

DSGVO-Informationspflichten erfüllen – das können DSB empfehlen

Geburtsdatum und Wohnort von GmbH-Geschäftsführern gehören ins Handelsregister. Dabei bleibt es trotz DSGVO. So die klare Ansage des Bundesgerichtshofs (BGH). Zur Begründung beruft er sich umfangreich auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH). Das macht die Entscheidung des BGH grundsätzlich bedeutsam.

➧ Sprengstoff ist immer etwas Heikles

Umgang mit Sprengstoff ist nicht jedermanns Sache. Für manche Menschen ist das aber der wesentliche Inhalt ihres Berufs. Verständlich, dass solche Personen für sich ein gewisses Risiko sehen, Opfer von Verbrechern zu werden. Denn für manche Kriminelle ist Sprengstoff eine hochinteressante Sache. Nur zu gern würden sie ihn in die Hände bekommen. Das wäre ihnen allemal ein Raub oder eine Entführung wert.

➧ Ein Geschäftsführer fühlt sich gefährdet

So argumentierte der Geschäftsführer einer GmbH, der von Berufs wegen mit Sprengstoff umgehen muss. Er sieht für sich persönlich das Risiko, Zielscheibe von Kriminellen zu werden. Dennoch trug das zuständige Registergericht seinen Namen, sein Geburtsdatum und den bei der Anmeldung zum Handelsregister angegebenen Wohnort in das Handelsregister ein. Damit waren diese Daten allgemein öffentlich verfügbar. Der Geschäftsführer fordert, dass sein Geburtsdatum und sein Wohnort aus dem Handelsregister entfernt werden. Dies sei zu seinem persönlichen Schutz notwendig.

➧ Das Registergericht bleibt aber unbeeindruckt

Der Geschäftsführer meinte, für seine Argumentation einen regelrechten Joker in der Hand zu haben. Denn das zuständige Einwohnermeldeamt hatte für ihn längst eine Auskunftssperre wegen Gefährdung eingetragen, die Auskünfte aus dem Melderegister abblocken kann. Dies ist im Bundesmeldegesetz (BMG) für den Fall vorgesehen, dass durch eine Melderegisterauskunft eine Gefahr für Leben, Gesundheit, persönliche Freiheit oder ähnliche schutzwürdige Interessen eines Einwohners entstehen kann (§ 51 BMG). Doch auch dies beeindruckte das Registergericht nicht. Es blieb dabei, dass der Handelsregistereintrag das Geburtsdatum und den Wohnort des GmbH-Geschäftsführers enthalten muss.

➧ Die DSGVO ist eindeutig anwendbar

Dass die DSGVO im vorliegenden Fall vom Prinzip her anwendbar ist, liegt für den BGH auf der Hand. Denn bei Geburtsdatum und Wohnort des Geschäftsführers handelt es sich um personenbezogene Daten. Diese Daten verarbeitet das Registergericht. Eine Verarbeitung erfolgt dabei bereits durch die Eintragung und Speicherung dieser Daten im Handelsregister. Hinzu kommt, dass die Einsichtnahme in das Handelsregister durch Interessenten ohne Einschränkungen gestattet ist (siehe §§ 9, 10 Absatz 2 Handelsgesetzbuch). Auch darin liegt eine Verarbeitung dieser Daten durch das Registergericht.

➧ Der BGH sieht aber keinen Anspruch auf Löschung der Daten

Art. 17 DSGVO gibt betroffenen Personen unter bestimmten Voraussetzungen das Recht, die Löschung von personenbezogenen Daten zu verlangen. Allerdings schließt die DSGVO einen solchen Anspruch für bestimmte Fallkonstellationen generell aus. Hier setzt der BGH an. Ein Löschungsanspruch besteht nämlich nicht, wenn die Verarbeitung der Daten erforderlich ist, um eine rechtliche Verpflichtung zu erfüllen, die sich aus dem Recht des jeweiligen Mitgliedstaats ergibt (Art. 17 Abs. 3 Buchstabe b DSGVO). Den Voraussetzungen dieser Ausnahme widmet sich der BGH bis ins Detail.

➧ Das Geburtsdatum im Handelsregister ist so vorgesehen

Da Art. 17 Abs. 3 Buchstabe b DSGVO auf das nationale Recht des jeweiligen Mitgliedstaates verweist, schildert der BGH zunächst die Vorgaben des deutschen Rechts für das Geburtsdatum. Hier tut er sich relativ leicht. Denn es besteht die gesetzliche Pflicht, eine GmbH zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden (§ 7 Abs.1 GmbH-Gesetz). Dabei ist ausdrücklich auch das Geburtsdatum des Geschäftsführers anzugeben (§ 24 Abs:1 Handelsregisterverordnung). Damit ist eine entsprechende Vorgabe des deutschen nationalen Rechts gegeben.

➧ Deutlich schwieriger wird es beim Wohnort

Eine entsprechende ausdrückliche Regelung für die Angabe des Wohnorts gibt es nicht. Nach Auffassung des BGH ist es jedoch gewohnheitsrechtlich verankert, dass der Wohnort des Geschäftsführers aus dem Handelsregister zu ersehen sein muss. Dabei betont er, dass Gewohnheitsrecht als Rechtsquelle gleichwertig neben dem Gesetzesrecht steht. Dabei beruft er sich auf eine entsprechende Praxis der Registergerichte jedenfalls seit dem Jahr 1898. Sie ist damit älter als das BGB, das am 1.1.1900 in Kraft getreten ist. Seither sei nie bestritten worden, dass der Wohnort des Geschäftsführers anzugeben ist. Dies werde seither ständig so gehandhabt und allgemein als verbindlich anerkannt. Kritische Stimmen hierzu in Rechtsprechung oder Literatur konnte der BGH nicht feststellen.

➧ Die DSGVO spricht von „Recht“, nicht von „Gesetz“

Dass sich der BGH auf eine gewohnheitsrechtlich Handhabung beruft, wird manche Datenschützer irritieren. Denn sie sind es gewohnt, dass für die Verarbeitung von personenbezogenen Daten ausdrückliche Normen in Gesetzen vorhanden sind, allenfalls noch in Verordnungen, die auf der Basis von Gesetzen erlassen wurden. Dem BGH ist jedoch zuzugeben, dass Art. 17 Abs. 3 Buchstabe b DSGVO nicht etwa von rechtlichen Verpflichtungen spricht, die sich aus gesetzlichen Vorgaben der Mitgliedstaaten ergeben. Vielmehr verwendet die DSGVO dort die Formulierung „Recht … der Mitgliedstaaten“. Damit ist jedenfalls vom Ansatz her auch Raum für die Berücksichtigung von Gewohnheitsrecht.

➧ Die Angaben dienen einem legitimen Zweck

Die bisher dargestellte Argumentation des BGH wird dadurch gestützt, dass die Angabe von Geburtsdatum und Wohnort eines GmbH-Geschäftsführers einem öffentlichen Interesse dient. Auf diesen Aspekt stellt die DSGVO für die Rechtmäßigkeit einer Verarbeitung selbst ausdrücklich ab (siehe Art. 6 Abs. 3 Sätze 2 und 4 DSGVO). Der Rechtsverkehr hat ein schützenswertes Interesse daran, sich aus dem Handelsregister zuverlässig über Name, Geburtsdatum und Wohnort eines GmbH-Geschäftsführers informieren zu können. Denn der Geschäftsführer ist derjenige, der zur Vertretung der GmbH nach außen berechtigt ist. Deshalb sind Grundinformationen über ihn notwendig.

➧ Die Zugänglichkeit der Angaben im Internet ist geboten

Vor Inkrafttreten der DSGVO hatte der EuGH schon einmal einen ähnlichen Fall zu beurteilen. Damals akzeptierte der EuGH, dass die „Personalien“ eines GmbH-Geschäftsführers für die Öffentlichkeit zugänglich sein müssen (siehe EuGH, Urteil vom 9.3.2017 – C-389/15, Fall Salvatore Manni; bei Eingabe des Aktenzeichens problemlos im Internet abrufbar). Das gilt laut BGH unverändert: „Das Ziel, jeder interessierten Person die Möglichkeit zu geben, sich möglichst … ohne zeitliche Verzögerung durch eine zuverlässige Informationsquelle Kenntnis von den wesentlichen Angaben über die Gründung der Handelsgesellschaften und über die mit ihrer Vertretung betrauten Personen zu verschaffen, lässt sich nur durch die Gewährung des schrankenlosen … Zugangs zu diesen Daten im Internet erreichen.“

➧ Die Angabe des Wohnorts hat eine wichtige Funktion

Nur mithilfe des Wohnorts lässt sich das für den GmbH-Geschäftsführer zuständige Einwohnermeldeamt herauszufinden. Mithilfe der weiteren Angaben (Name und Geburtsdatum des Geschäftsführers) ist es dann möglich, über eine sogenannte „einfache Melderegisterauskunft“ gemäß § 44 Bundesmeldegesetz (BMG) die Privatanschrift des Geschäftsführers zu ermitteln. Sie wird gebraucht, wenn Ansprüche gegen den Geschäftsführer persönlich geltend gemacht werden sollen und zu diesem Zweck beispielsweise eine Klageschrift zugestellt werden soll.

➧ Wirtschaftlich Tätige müssen mit Einschränkungen leben

Wer GmbH-Geschäftsführer wird, muss mit einer gewissen Einschränkung des Schutzes seiner personenbezogenen Daten leben. Dabei argumentiert der BGH dabei in etwa so: Niemand ist gezwungen, GmbH-Geschäftsführer zu werden. Jedem der sich darauf einlässt, ist bekannt, dass bestimmte Basisdaten über ihn im Handelsregister zugänglich sind. Dabei handelt es sich jedoch nur um einige wenige Daten, die zudem nicht besonders sensibel sind. Vor allem muss lediglich der Wohnort angegeben werden, nicht jedoch die vollständige Anschrift. Dies verringert die Intensität des Eingriffs. Wer diese Überlegungen in geschliffenem Juristendeutsch lesen will, möge zu Rn. 47-56 des BGH-Urteils greifen.

➧ Eine „allgemein erhöhte Gefährdungslage“ reicht nicht

Der GmbH-Geschäftsführer hatte argumentiert, bei ihm bestehe wegen des beruflich notwendigen Umgangs mit Sprengstoffen eine besondere Gefährdungslage. Diese Überlegung lässt der BGH jedoch nicht gelten. Sein Argument: Eine solche allgemein erhöhte Gefährdungslage kommt auch bei vielen anderen beruflichen Tätigkeiten vor. Wenn man in all diesen Fällen Ausnahmen von der Veröffentlichung der Basisdaten eines GmbH-Geschäftsführers zulassen würde, wäre die Informationsfunktion des Handelsregisters nicht mehr gewährleistet.

➧ Das Bundesverwaltungsgericht sah es genauso

Überraschenderweise geht der BGH nicht auf eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) ein, die seine Auffassung stützt. Wie ausgeführt, hatte der GmbH-Geschäftsführer erreicht, dass das zuständige Einwohnermeldeamt für ihn eine Auskunftssperre wegen Gefährdung im Melderegister eingetragen hat. Ob das zurecht geschah, ist stark zu bezweifeln. Das BVerwG legt insoweit nämlich strengste Maßstäbe an. Leitentscheidung hierzu ist der Fall einer Bewährungshelferin, die eine Auskunftssperre wegen Gefährdung im Melderegister eingetragen haben wollte. Dass sie keinen leichten Job hat und immer wieder kritischen Situationen ausgesetzt ist, bezweifelte auch das BVerwG nicht. Dennoch verweigerte es der Frau die Eintragung einer Auskunftssperre wegen Gefährdung.

➧ Auch ihm genügt eine abstrakte Gefährdungslage nicht

Das Argument des Gerichts: Nur wenn nachgewiesen werden kann, dass für alle Angehörigen einer Berufsgruppe eine bestimmte abstrakte Gefährdungslage besteht, rechtfertigt sie  die Eintragung einer Auskunftssperre wegen Gefährdung im Melderegister. Ansonsten reicht eine abstrakte Gefährdungslage dafür nicht. Anders sieht es bei einer konkreten Gefährdungslage aus, wenn also zum Beispiel jemand persönlich bedroht worden ist. So das Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 14.2.2017 – 6 B 49.16. Bei Eingabe des Aktenzeichens ist der Beschluss im Internet leicht zu finden.

➧ Die Folgerungen für die Praxis liegen auf der Hand

Wer Geschäftsführer einer GmbH wird, muss damit leben, dass Geburtsdatum und Wohnort veröffentlicht werden. Mithilfe dieser Angaben ist im Allgemeinen seine Privatanschrift problemlos herauszufinden. Wer das nicht will, muss zur Not auf die Geschäftsführer-Funktion verzichten. Jedenfalls bisher wurde aber noch nicht von Fällen berichtet, in denen jemand sich den Wohnort eines Geschäftsführers aus dem Handelsregister besorgt hat, um ihm dann „ans Leder zu gehen“. Möglicherweise hat der BGH also schlicht recht damit, dass solche Gefahren gering einzuschätzen sind.

➧ Hier ist die Entscheidung des BGH zu finden

Bei der in diesem Newsletter dargestellten BGH-Entscheidung handelt es sich um den Beschluss des BGH vom 23.1.2024. Er ist bei Eingabe des Aktenzeichens II ZB 7/23 im Internet problemlos zu finden. Seine vollständige Lektüre erfordert bei einem Umfang von 41 Seiten mit 90 Randnummern einen gewissen Aufwand.

Dr. Eugen Ehmann

Urteil
/ 15. April 2024

Auskunftsanspruch über interne Abläufe im Unternehmen?

Geburtsdatum und Wohnort von GmbH-Geschäftsführern gehören ins Handelsregister. Dabei bleibt es trotz DSGVO. So die klare Ansage des Bundesgerichtshofs (BGH). Zur Begründung beruft er sich umfangreich auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH). Das macht die Entscheidung des BGH grundsätzlich bedeutsam.

➧ Sprengstoff ist immer etwas Heikles

Umgang mit Sprengstoff ist nicht jedermanns Sache. Für manche Menschen ist das aber der wesentliche Inhalt ihres Berufs. Verständlich, dass solche Personen für sich ein gewisses Risiko sehen, Opfer von Verbrechern zu werden. Denn für manche Kriminelle ist Sprengstoff eine hochinteressante Sache. Nur zu gern würden sie ihn in die Hände bekommen. Das wäre ihnen allemal ein Raub oder eine Entführung wert.

➧ Ein Geschäftsführer fühlt sich gefährdet

So argumentierte der Geschäftsführer einer GmbH, der von Berufs wegen mit Sprengstoff umgehen muss. Er sieht für sich persönlich das Risiko, Zielscheibe von Kriminellen zu werden. Dennoch trug das zuständige Registergericht seinen Namen, sein Geburtsdatum und den bei der Anmeldung zum Handelsregister angegebenen Wohnort in das Handelsregister ein. Damit waren diese Daten allgemein öffentlich verfügbar. Der Geschäftsführer fordert, dass sein Geburtsdatum und sein Wohnort aus dem Handelsregister entfernt werden. Dies sei zu seinem persönlichen Schutz notwendig.

➧ Das Registergericht bleibt aber unbeeindruckt

Der Geschäftsführer meinte, für seine Argumentation einen regelrechten Joker in der Hand zu haben. Denn das zuständige Einwohnermeldeamt hatte für ihn längst eine Auskunftssperre wegen Gefährdung eingetragen, die Auskünfte aus dem Melderegister abblocken kann. Dies ist im Bundesmeldegesetz (BMG) für den Fall vorgesehen, dass durch eine Melderegisterauskunft eine Gefahr für Leben, Gesundheit, persönliche Freiheit oder ähnliche schutzwürdige Interessen eines Einwohners entstehen kann (§ 51 BMG). Doch auch dies beeindruckte das Registergericht nicht. Es blieb dabei, dass der Handelsregistereintrag das Geburtsdatum und den Wohnort des GmbH-Geschäftsführers enthalten muss.

➧ Die DSGVO ist eindeutig anwendbar

Dass die DSGVO im vorliegenden Fall vom Prinzip her anwendbar ist, liegt für den BGH auf der Hand. Denn bei Geburtsdatum und Wohnort des Geschäftsführers handelt es sich um personenbezogene Daten. Diese Daten verarbeitet das Registergericht. Eine Verarbeitung erfolgt dabei bereits durch die Eintragung und Speicherung dieser Daten im Handelsregister. Hinzu kommt, dass die Einsichtnahme in das Handelsregister durch Interessenten ohne Einschränkungen gestattet ist (siehe §§ 9, 10 Absatz 2 Handelsgesetzbuch). Auch darin liegt eine Verarbeitung dieser Daten durch das Registergericht.

➧ Der BGH sieht aber keinen Anspruch auf Löschung der Daten

Art. 17 DSGVO gibt betroffenen Personen unter bestimmten Voraussetzungen das Recht, die Löschung von personenbezogenen Daten zu verlangen. Allerdings schließt die DSGVO einen solchen Anspruch für bestimmte Fallkonstellationen generell aus. Hier setzt der BGH an. Ein Löschungsanspruch besteht nämlich nicht, wenn die Verarbeitung der Daten erforderlich ist, um eine rechtliche Verpflichtung zu erfüllen, die sich aus dem Recht des jeweiligen Mitgliedstaats ergibt (Art. 17 Abs. 3 Buchstabe b DSGVO). Den Voraussetzungen dieser Ausnahme widmet sich der BGH bis ins Detail.

➧ Das Geburtsdatum im Handelsregister ist so vorgesehen

Da Art. 17 Abs. 3 Buchstabe b DSGVO auf das nationale Recht des jeweiligen Mitgliedstaates verweist, schildert der BGH zunächst die Vorgaben des deutschen Rechts für das Geburtsdatum. Hier tut er sich relativ leicht. Denn es besteht die gesetzliche Pflicht, eine GmbH zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden (§ 7 Abs.1 GmbH-Gesetz). Dabei ist ausdrücklich auch das Geburtsdatum des Geschäftsführers anzugeben (§ 24 Abs:1 Handelsregisterverordnung). Damit ist eine entsprechende Vorgabe des deutschen nationalen Rechts gegeben.

➧ Deutlich schwieriger wird es beim Wohnort

Eine entsprechende ausdrückliche Regelung für die Angabe des Wohnorts gibt es nicht. Nach Auffassung des BGH ist es jedoch gewohnheitsrechtlich verankert, dass der Wohnort des Geschäftsführers aus dem Handelsregister zu ersehen sein muss. Dabei betont er, dass Gewohnheitsrecht als Rechtsquelle gleichwertig neben dem Gesetzesrecht steht. Dabei beruft er sich auf eine entsprechende Praxis der Registergerichte jedenfalls seit dem Jahr 1898. Sie ist damit älter als das BGB, das am 1.1.1900 in Kraft getreten ist. Seither sei nie bestritten worden, dass der Wohnort des Geschäftsführers anzugeben ist. Dies werde seither ständig so gehandhabt und allgemein als verbindlich anerkannt. Kritische Stimmen hierzu in Rechtsprechung oder Literatur konnte der BGH nicht feststellen.

➧ Die DSGVO spricht von „Recht“, nicht von „Gesetz“

Dass sich der BGH auf eine gewohnheitsrechtlich Handhabung beruft, wird manche Datenschützer irritieren. Denn sie sind es gewohnt, dass für die Verarbeitung von personenbezogenen Daten ausdrückliche Normen in Gesetzen vorhanden sind, allenfalls noch in Verordnungen, die auf der Basis von Gesetzen erlassen wurden. Dem BGH ist jedoch zuzugeben, dass Art. 17 Abs. 3 Buchstabe b DSGVO nicht etwa von rechtlichen Verpflichtungen spricht, die sich aus gesetzlichen Vorgaben der Mitgliedstaaten ergeben. Vielmehr verwendet die DSGVO dort die Formulierung „Recht … der Mitgliedstaaten“. Damit ist jedenfalls vom Ansatz her auch Raum für die Berücksichtigung von Gewohnheitsrecht.

➧ Die Angaben dienen einem legitimen Zweck

Die bisher dargestellte Argumentation des BGH wird dadurch gestützt, dass die Angabe von Geburtsdatum und Wohnort eines GmbH-Geschäftsführers einem öffentlichen Interesse dient. Auf diesen Aspekt stellt die DSGVO für die Rechtmäßigkeit einer Verarbeitung selbst ausdrücklich ab (siehe Art. 6 Abs. 3 Sätze 2 und 4 DSGVO). Der Rechtsverkehr hat ein schützenswertes Interesse daran, sich aus dem Handelsregister zuverlässig über Name, Geburtsdatum und Wohnort eines GmbH-Geschäftsführers informieren zu können. Denn der Geschäftsführer ist derjenige, der zur Vertretung der GmbH nach außen berechtigt ist. Deshalb sind Grundinformationen über ihn notwendig.

➧ Die Zugänglichkeit der Angaben im Internet ist geboten

Vor Inkrafttreten der DSGVO hatte der EuGH schon einmal einen ähnlichen Fall zu beurteilen. Damals akzeptierte der EuGH, dass die „Personalien“ eines GmbH-Geschäftsführers für die Öffentlichkeit zugänglich sein müssen (siehe EuGH, Urteil vom 9.3.2017 – C-389/15, Fall Salvatore Manni; bei Eingabe des Aktenzeichens problemlos im Internet abrufbar). Das gilt laut BGH unverändert: „Das Ziel, jeder interessierten Person die Möglichkeit zu geben, sich möglichst … ohne zeitliche Verzögerung durch eine zuverlässige Informationsquelle Kenntnis von den wesentlichen Angaben über die Gründung der Handelsgesellschaften und über die mit ihrer Vertretung betrauten Personen zu verschaffen, lässt sich nur durch die Gewährung des schrankenlosen … Zugangs zu diesen Daten im Internet erreichen.“

➧ Die Angabe des Wohnorts hat eine wichtige Funktion

Nur mithilfe des Wohnorts lässt sich das für den GmbH-Geschäftsführer zuständige Einwohnermeldeamt herauszufinden. Mithilfe der weiteren Angaben (Name und Geburtsdatum des Geschäftsführers) ist es dann möglich, über eine sogenannte „einfache Melderegisterauskunft“ gemäß § 44 Bundesmeldegesetz (BMG) die Privatanschrift des Geschäftsführers zu ermitteln. Sie wird gebraucht, wenn Ansprüche gegen den Geschäftsführer persönlich geltend gemacht werden sollen und zu diesem Zweck beispielsweise eine Klageschrift zugestellt werden soll.

➧ Wirtschaftlich Tätige müssen mit Einschränkungen leben

Wer GmbH-Geschäftsführer wird, muss mit einer gewissen Einschränkung des Schutzes seiner personenbezogenen Daten leben. Dabei argumentiert der BGH dabei in etwa so: Niemand ist gezwungen, GmbH-Geschäftsführer zu werden. Jedem der sich darauf einlässt, ist bekannt, dass bestimmte Basisdaten über ihn im Handelsregister zugänglich sind. Dabei handelt es sich jedoch nur um einige wenige Daten, die zudem nicht besonders sensibel sind. Vor allem muss lediglich der Wohnort angegeben werden, nicht jedoch die vollständige Anschrift. Dies verringert die Intensität des Eingriffs. Wer diese Überlegungen in geschliffenem Juristendeutsch lesen will, möge zu Rn. 47-56 des BGH-Urteils greifen.

➧ Eine „allgemein erhöhte Gefährdungslage“ reicht nicht

Der GmbH-Geschäftsführer hatte argumentiert, bei ihm bestehe wegen des beruflich notwendigen Umgangs mit Sprengstoffen eine besondere Gefährdungslage. Diese Überlegung lässt der BGH jedoch nicht gelten. Sein Argument: Eine solche allgemein erhöhte Gefährdungslage kommt auch bei vielen anderen beruflichen Tätigkeiten vor. Wenn man in all diesen Fällen Ausnahmen von der Veröffentlichung der Basisdaten eines GmbH-Geschäftsführers zulassen würde, wäre die Informationsfunktion des Handelsregisters nicht mehr gewährleistet.

➧ Das Bundesverwaltungsgericht sah es genauso

Überraschenderweise geht der BGH nicht auf eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) ein, die seine Auffassung stützt. Wie ausgeführt, hatte der GmbH-Geschäftsführer erreicht, dass das zuständige Einwohnermeldeamt für ihn eine Auskunftssperre wegen Gefährdung im Melderegister eingetragen hat. Ob das zurecht geschah, ist stark zu bezweifeln. Das BVerwG legt insoweit nämlich strengste Maßstäbe an. Leitentscheidung hierzu ist der Fall einer Bewährungshelferin, die eine Auskunftssperre wegen Gefährdung im Melderegister eingetragen haben wollte. Dass sie keinen leichten Job hat und immer wieder kritischen Situationen ausgesetzt ist, bezweifelte auch das BVerwG nicht. Dennoch verweigerte es der Frau die Eintragung einer Auskunftssperre wegen Gefährdung.

➧ Auch ihm genügt eine abstrakte Gefährdungslage nicht

Das Argument des Gerichts: Nur wenn nachgewiesen werden kann, dass für alle Angehörigen einer Berufsgruppe eine bestimmte abstrakte Gefährdungslage besteht, rechtfertigt sie  die Eintragung einer Auskunftssperre wegen Gefährdung im Melderegister. Ansonsten reicht eine abstrakte Gefährdungslage dafür nicht. Anders sieht es bei einer konkreten Gefährdungslage aus, wenn also zum Beispiel jemand persönlich bedroht worden ist. So das Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 14.2.2017 – 6 B 49.16. Bei Eingabe des Aktenzeichens ist der Beschluss im Internet leicht zu finden.

➧ Die Folgerungen für die Praxis liegen auf der Hand

Wer Geschäftsführer einer GmbH wird, muss damit leben, dass Geburtsdatum und Wohnort veröffentlicht werden. Mithilfe dieser Angaben ist im Allgemeinen seine Privatanschrift problemlos herauszufinden. Wer das nicht will, muss zur Not auf die Geschäftsführer-Funktion verzichten. Jedenfalls bisher wurde aber noch nicht von Fällen berichtet, in denen jemand sich den Wohnort eines Geschäftsführers aus dem Handelsregister besorgt hat, um ihm dann „ans Leder zu gehen“. Möglicherweise hat der BGH also schlicht recht damit, dass solche Gefahren gering einzuschätzen sind.

➧ Hier ist die Entscheidung des BGH zu finden

Bei der in diesem Newsletter dargestellten BGH-Entscheidung handelt es sich um den Beschluss des BGH vom 23.1.2024. Er ist bei Eingabe des Aktenzeichens II ZB 7/23 im Internet problemlos zu finden. Seine vollständige Lektüre erfordert bei einem Umfang von 41 Seiten mit 90 Randnummern einen gewissen Aufwand.

Dr. Eugen Ehmann

Urteil
/ 15. April 2024

Recht auf Vergessenwerden: Diese Tools helfen

Geburtsdatum und Wohnort von GmbH-Geschäftsführern gehören ins Handelsregister. Dabei bleibt es trotz DSGVO. So die klare Ansage des Bundesgerichtshofs (BGH). Zur Begründung beruft er sich umfangreich auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH). Das macht die Entscheidung des BGH grundsätzlich bedeutsam.

➧ Sprengstoff ist immer etwas Heikles

Umgang mit Sprengstoff ist nicht jedermanns Sache. Für manche Menschen ist das aber der wesentliche Inhalt ihres Berufs. Verständlich, dass solche Personen für sich ein gewisses Risiko sehen, Opfer von Verbrechern zu werden. Denn für manche Kriminelle ist Sprengstoff eine hochinteressante Sache. Nur zu gern würden sie ihn in die Hände bekommen. Das wäre ihnen allemal ein Raub oder eine Entführung wert.

➧ Ein Geschäftsführer fühlt sich gefährdet

So argumentierte der Geschäftsführer einer GmbH, der von Berufs wegen mit Sprengstoff umgehen muss. Er sieht für sich persönlich das Risiko, Zielscheibe von Kriminellen zu werden. Dennoch trug das zuständige Registergericht seinen Namen, sein Geburtsdatum und den bei der Anmeldung zum Handelsregister angegebenen Wohnort in das Handelsregister ein. Damit waren diese Daten allgemein öffentlich verfügbar. Der Geschäftsführer fordert, dass sein Geburtsdatum und sein Wohnort aus dem Handelsregister entfernt werden. Dies sei zu seinem persönlichen Schutz notwendig.

➧ Das Registergericht bleibt aber unbeeindruckt

Der Geschäftsführer meinte, für seine Argumentation einen regelrechten Joker in der Hand zu haben. Denn das zuständige Einwohnermeldeamt hatte für ihn längst eine Auskunftssperre wegen Gefährdung eingetragen, die Auskünfte aus dem Melderegister abblocken kann. Dies ist im Bundesmeldegesetz (BMG) für den Fall vorgesehen, dass durch eine Melderegisterauskunft eine Gefahr für Leben, Gesundheit, persönliche Freiheit oder ähnliche schutzwürdige Interessen eines Einwohners entstehen kann (§ 51 BMG). Doch auch dies beeindruckte das Registergericht nicht. Es blieb dabei, dass der Handelsregistereintrag das Geburtsdatum und den Wohnort des GmbH-Geschäftsführers enthalten muss.

➧ Die DSGVO ist eindeutig anwendbar

Dass die DSGVO im vorliegenden Fall vom Prinzip her anwendbar ist, liegt für den BGH auf der Hand. Denn bei Geburtsdatum und Wohnort des Geschäftsführers handelt es sich um personenbezogene Daten. Diese Daten verarbeitet das Registergericht. Eine Verarbeitung erfolgt dabei bereits durch die Eintragung und Speicherung dieser Daten im Handelsregister. Hinzu kommt, dass die Einsichtnahme in das Handelsregister durch Interessenten ohne Einschränkungen gestattet ist (siehe §§ 9, 10 Absatz 2 Handelsgesetzbuch). Auch darin liegt eine Verarbeitung dieser Daten durch das Registergericht.

➧ Der BGH sieht aber keinen Anspruch auf Löschung der Daten

Art. 17 DSGVO gibt betroffenen Personen unter bestimmten Voraussetzungen das Recht, die Löschung von personenbezogenen Daten zu verlangen. Allerdings schließt die DSGVO einen solchen Anspruch für bestimmte Fallkonstellationen generell aus. Hier setzt der BGH an. Ein Löschungsanspruch besteht nämlich nicht, wenn die Verarbeitung der Daten erforderlich ist, um eine rechtliche Verpflichtung zu erfüllen, die sich aus dem Recht des jeweiligen Mitgliedstaats ergibt (Art. 17 Abs. 3 Buchstabe b DSGVO). Den Voraussetzungen dieser Ausnahme widmet sich der BGH bis ins Detail.

➧ Das Geburtsdatum im Handelsregister ist so vorgesehen

Da Art. 17 Abs. 3 Buchstabe b DSGVO auf das nationale Recht des jeweiligen Mitgliedstaates verweist, schildert der BGH zunächst die Vorgaben des deutschen Rechts für das Geburtsdatum. Hier tut er sich relativ leicht. Denn es besteht die gesetzliche Pflicht, eine GmbH zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden (§ 7 Abs.1 GmbH-Gesetz). Dabei ist ausdrücklich auch das Geburtsdatum des Geschäftsführers anzugeben (§ 24 Abs:1 Handelsregisterverordnung). Damit ist eine entsprechende Vorgabe des deutschen nationalen Rechts gegeben.

➧ Deutlich schwieriger wird es beim Wohnort

Eine entsprechende ausdrückliche Regelung für die Angabe des Wohnorts gibt es nicht. Nach Auffassung des BGH ist es jedoch gewohnheitsrechtlich verankert, dass der Wohnort des Geschäftsführers aus dem Handelsregister zu ersehen sein muss. Dabei betont er, dass Gewohnheitsrecht als Rechtsquelle gleichwertig neben dem Gesetzesrecht steht. Dabei beruft er sich auf eine entsprechende Praxis der Registergerichte jedenfalls seit dem Jahr 1898. Sie ist damit älter als das BGB, das am 1.1.1900 in Kraft getreten ist. Seither sei nie bestritten worden, dass der Wohnort des Geschäftsführers anzugeben ist. Dies werde seither ständig so gehandhabt und allgemein als verbindlich anerkannt. Kritische Stimmen hierzu in Rechtsprechung oder Literatur konnte der BGH nicht feststellen.

➧ Die DSGVO spricht von „Recht“, nicht von „Gesetz“

Dass sich der BGH auf eine gewohnheitsrechtlich Handhabung beruft, wird manche Datenschützer irritieren. Denn sie sind es gewohnt, dass für die Verarbeitung von personenbezogenen Daten ausdrückliche Normen in Gesetzen vorhanden sind, allenfalls noch in Verordnungen, die auf der Basis von Gesetzen erlassen wurden. Dem BGH ist jedoch zuzugeben, dass Art. 17 Abs. 3 Buchstabe b DSGVO nicht etwa von rechtlichen Verpflichtungen spricht, die sich aus gesetzlichen Vorgaben der Mitgliedstaaten ergeben. Vielmehr verwendet die DSGVO dort die Formulierung „Recht … der Mitgliedstaaten“. Damit ist jedenfalls vom Ansatz her auch Raum für die Berücksichtigung von Gewohnheitsrecht.

➧ Die Angaben dienen einem legitimen Zweck

Die bisher dargestellte Argumentation des BGH wird dadurch gestützt, dass die Angabe von Geburtsdatum und Wohnort eines GmbH-Geschäftsführers einem öffentlichen Interesse dient. Auf diesen Aspekt stellt die DSGVO für die Rechtmäßigkeit einer Verarbeitung selbst ausdrücklich ab (siehe Art. 6 Abs. 3 Sätze 2 und 4 DSGVO). Der Rechtsverkehr hat ein schützenswertes Interesse daran, sich aus dem Handelsregister zuverlässig über Name, Geburtsdatum und Wohnort eines GmbH-Geschäftsführers informieren zu können. Denn der Geschäftsführer ist derjenige, der zur Vertretung der GmbH nach außen berechtigt ist. Deshalb sind Grundinformationen über ihn notwendig.

➧ Die Zugänglichkeit der Angaben im Internet ist geboten

Vor Inkrafttreten der DSGVO hatte der EuGH schon einmal einen ähnlichen Fall zu beurteilen. Damals akzeptierte der EuGH, dass die „Personalien“ eines GmbH-Geschäftsführers für die Öffentlichkeit zugänglich sein müssen (siehe EuGH, Urteil vom 9.3.2017 – C-389/15, Fall Salvatore Manni; bei Eingabe des Aktenzeichens problemlos im Internet abrufbar). Das gilt laut BGH unverändert: „Das Ziel, jeder interessierten Person die Möglichkeit zu geben, sich möglichst … ohne zeitliche Verzögerung durch eine zuverlässige Informationsquelle Kenntnis von den wesentlichen Angaben über die Gründung der Handelsgesellschaften und über die mit ihrer Vertretung betrauten Personen zu verschaffen, lässt sich nur durch die Gewährung des schrankenlosen … Zugangs zu diesen Daten im Internet erreichen.“

➧ Die Angabe des Wohnorts hat eine wichtige Funktion

Nur mithilfe des Wohnorts lässt sich das für den GmbH-Geschäftsführer zuständige Einwohnermeldeamt herauszufinden. Mithilfe der weiteren Angaben (Name und Geburtsdatum des Geschäftsführers) ist es dann möglich, über eine sogenannte „einfache Melderegisterauskunft“ gemäß § 44 Bundesmeldegesetz (BMG) die Privatanschrift des Geschäftsführers zu ermitteln. Sie wird gebraucht, wenn Ansprüche gegen den Geschäftsführer persönlich geltend gemacht werden sollen und zu diesem Zweck beispielsweise eine Klageschrift zugestellt werden soll.

➧ Wirtschaftlich Tätige müssen mit Einschränkungen leben

Wer GmbH-Geschäftsführer wird, muss mit einer gewissen Einschränkung des Schutzes seiner personenbezogenen Daten leben. Dabei argumentiert der BGH dabei in etwa so: Niemand ist gezwungen, GmbH-Geschäftsführer zu werden. Jedem der sich darauf einlässt, ist bekannt, dass bestimmte Basisdaten über ihn im Handelsregister zugänglich sind. Dabei handelt es sich jedoch nur um einige wenige Daten, die zudem nicht besonders sensibel sind. Vor allem muss lediglich der Wohnort angegeben werden, nicht jedoch die vollständige Anschrift. Dies verringert die Intensität des Eingriffs. Wer diese Überlegungen in geschliffenem Juristendeutsch lesen will, möge zu Rn. 47-56 des BGH-Urteils greifen.

➧ Eine „allgemein erhöhte Gefährdungslage“ reicht nicht

Der GmbH-Geschäftsführer hatte argumentiert, bei ihm bestehe wegen des beruflich notwendigen Umgangs mit Sprengstoffen eine besondere Gefährdungslage. Diese Überlegung lässt der BGH jedoch nicht gelten. Sein Argument: Eine solche allgemein erhöhte Gefährdungslage kommt auch bei vielen anderen beruflichen Tätigkeiten vor. Wenn man in all diesen Fällen Ausnahmen von der Veröffentlichung der Basisdaten eines GmbH-Geschäftsführers zulassen würde, wäre die Informationsfunktion des Handelsregisters nicht mehr gewährleistet.

➧ Das Bundesverwaltungsgericht sah es genauso

Überraschenderweise geht der BGH nicht auf eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) ein, die seine Auffassung stützt. Wie ausgeführt, hatte der GmbH-Geschäftsführer erreicht, dass das zuständige Einwohnermeldeamt für ihn eine Auskunftssperre wegen Gefährdung im Melderegister eingetragen hat. Ob das zurecht geschah, ist stark zu bezweifeln. Das BVerwG legt insoweit nämlich strengste Maßstäbe an. Leitentscheidung hierzu ist der Fall einer Bewährungshelferin, die eine Auskunftssperre wegen Gefährdung im Melderegister eingetragen haben wollte. Dass sie keinen leichten Job hat und immer wieder kritischen Situationen ausgesetzt ist, bezweifelte auch das BVerwG nicht. Dennoch verweigerte es der Frau die Eintragung einer Auskunftssperre wegen Gefährdung.

➧ Auch ihm genügt eine abstrakte Gefährdungslage nicht

Das Argument des Gerichts: Nur wenn nachgewiesen werden kann, dass für alle Angehörigen einer Berufsgruppe eine bestimmte abstrakte Gefährdungslage besteht, rechtfertigt sie  die Eintragung einer Auskunftssperre wegen Gefährdung im Melderegister. Ansonsten reicht eine abstrakte Gefährdungslage dafür nicht. Anders sieht es bei einer konkreten Gefährdungslage aus, wenn also zum Beispiel jemand persönlich bedroht worden ist. So das Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 14.2.2017 – 6 B 49.16. Bei Eingabe des Aktenzeichens ist der Beschluss im Internet leicht zu finden.

➧ Die Folgerungen für die Praxis liegen auf der Hand

Wer Geschäftsführer einer GmbH wird, muss damit leben, dass Geburtsdatum und Wohnort veröffentlicht werden. Mithilfe dieser Angaben ist im Allgemeinen seine Privatanschrift problemlos herauszufinden. Wer das nicht will, muss zur Not auf die Geschäftsführer-Funktion verzichten. Jedenfalls bisher wurde aber noch nicht von Fällen berichtet, in denen jemand sich den Wohnort eines Geschäftsführers aus dem Handelsregister besorgt hat, um ihm dann „ans Leder zu gehen“. Möglicherweise hat der BGH also schlicht recht damit, dass solche Gefahren gering einzuschätzen sind.

➧ Hier ist die Entscheidung des BGH zu finden

Bei der in diesem Newsletter dargestellten BGH-Entscheidung handelt es sich um den Beschluss des BGH vom 23.1.2024. Er ist bei Eingabe des Aktenzeichens II ZB 7/23 im Internet problemlos zu finden. Seine vollständige Lektüre erfordert bei einem Umfang von 41 Seiten mit 90 Randnummern einen gewissen Aufwand.

Dr. Eugen Ehmann