Urteil
/ 12. November 2018

Fotos & Videos: Was sagt die DSGVO?

Die maßgeblichen Rechtsfragen sind sehr abstrakt: Welche rechtlichen Vorgaben enthält die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) für Fotografien und Videos von Personen? Und wie verhalten sie sich zum nationalen Recht der EU-Mitgliedstaaten? Der konkrete Fall führt dagegen mitten ins alltägliche Leben.

Eine Frau ging zum Friseur. Anlass hierfür war der Wunsch nach einer Haarverlängerung. Während die Verlängerung vorgenommen wurde, fotografierte ein Mann die Kundin. Er hatte sich ihr nicht vorgestellt.

Außerdem kam es zu Videoaufnahmen, von denen die Frau – so jedenfalls ihre Darstellung – zu diesem Zeitpunkt nichts bemerkt.

Fotos und Video auf Facebook

Wenige Tage später stellte die Frau fest, dass der Friseur auf seiner Facebook-Fanpage Fotos von ihr eingestellt hatte und außerdem ein Video. Die Fotos und das Video zeigten sie im Friseursalon.

Die Frau forderte den Friseur zunächst persönlich auf, die Bilder und das Video von der Facebook-Seite zu entfernen. Daraufhin nahm der Friseur die Fotos aus dem Netz, das Video dagegen nicht.

Nun wurde es der Frau zu bunt. Sie beauftragte einen Rechtsanwalt. Der Rechtsanwalt verlangte vom Friseur schriftlich, auch das Video aus dem Netz zu nehmen. Doch selbst dann geschah nichts.

Einstweilige Verfügung und Widerspruch

Daraufhin beantragte die Frau über ihren Rechtsanwalt eine einstweilige Verfügung. Sie wurde vom Landgericht durch einen Beschluss vom 27.7.2018 erlassen.

Dem Friseur wurde darin untersagt, Fotos oder Videos der Frau im Internet oder sonst wo öffentlich zur Schau zu stellen.

Gegen diesen Beschluss legte der Friseur Widerspruch ein. Deshalb musste das Gericht nun in einem Urteil endgültig über die Angelegenheit entscheiden.

Dabei ist der Begriff „endgültig“ unter dem Vorbehalt zu sehen, dass sich gegen ein Urteil noch Berufung einlegen lässt.

Argumente des Friseurs

Eine schriftliche Einwilligung der Frau liegt unstreitig nicht vor. Der Friseur macht jedoch geltend, sie habe ihre Einwilligung mündlich erteilt. Zumindest sei eine stillschweigend erteilte Einwilligung anzunehmen.

In seinem Friseursalon würden nämlich regelmäßig Video- und Bildaufnahmen erfolgen, um die Arbeiten des Salons an dafür vorgesehenen Haarmodellen zu dokumentieren.

Diese Aufnahmen würden dann auf Facebook veröffentlicht, um die Vielfältigkeit der Arbeiten zu präsentieren.

Aufnahmen würden immer nur an extra dafür bestimmten Terminen erfolgen. Anwesend seien dann nur Haarmodelle, keine weiteren Kunden.

Die Frau habe gewusst, dass ein solcher Dokumentationstag stattfinde. Dennoch habe sie darauf bestanden, bedient zu werden. Damit habe sie in die Aufnahmen eingewilligt.

Bestätigung der einstweiligen Verfügung

Mit dieser Argumentation hatte der Friseur beim Gericht keinen Erfolg. Das Gericht bestätigte in seinem Urteil die bereits erlassene einstweilige Verfügung und untersagt dem Friseur auch weiterhin, Fotos und Videos der Frau zu verbreiten.

Die Begründung des Gerichts lautet in Stichworten wie folgt:

Ergebnis entscheidend

  • Im Ergebnis hat die Frau ohne Zweifel einen Anspruch auf Unterlassung.
  • Dabei kann offen bleiben, ob sich dieser Anspruch aus dem Recht am eigenen Bild gemäß §§ 22, 23 Kunsturheberrechtsgesetz (KUG) ergibt oder aus der Datenschutz-Grundverordnung. Beide Ansätze führen zum selben Ergebnis, dass ein Unterlassungsanspruch gegeben ist.
  • 22 Abs.1 KUG lautet: „Bildnisse dürfen nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden.“ Wird dagegen verstoßen, besteht ein Unterlassungsanspruch (§ 1004 BGB in entsprechender Anwendung).
  • Art. 6 DSGVO erlaubt die Verarbeitung von personenbezogenen Daten (und damit auch von Bildern und Videos) nur, wenn die dort vorgesehenen Voraussetzungen erfüllt sind. Fehlt es daran, besteht ebenfalls ein Unterlassungsanspruch. Er ergibt sich aus Art. 79 DSGVO (Anspruch auf einen wirksamen Rechtsbehelf).

Die rechtliche Grundsatzfrage, ob die Regelungen des KUG neben den Vorschriften der DSGVO für Bilder weiterhin gelten, kann damit dahinstehen. Sie ist für die konkrete Entscheidung nicht relevant.

Denn sowohl nach den Maßstäben des KUG als auch nach den Maßstäben der DSGVO war es rechtswidrig, dass der Friseur die Bilder und das Video veröffentlicht hat.

Anwendungsbereich von DSGVO und KUG

Der Anwendungsbereich sowohl des KUG als auch der DSGVO ist eröffnet:

Bei dem Video, um das jetzt nur noch gestritten wird, handelt es sich um ein „Bildnis“ der Frau im Sinn von § 22 KUG. Als Bildnis ist jede Abbildung einer natürlichen Person anzusehen, die das individuelle Aussehen dieser Person wiedergibt.

Zugleich handelt es sich bei dem Inhalt des Videos um personenbezogene Daten (Art. 4 Nr. 1 DSGVO), weil die Frau in dem Video identifizierbar ist.

Es handelt sich bei der Veröffentlichung des Videos nicht um eine „ausschließlich persönliche“ Tätigkeit des Friseurs, die aus dem Anwendungsbereich der DSGVO ausgenommen wäre (Art. 2 Abs. 2 Buchst. c DSGVO).

Dies liegt daran, dass die Veröffentlichung nicht im persönlichen, sondern im gewerblichen Zusammenhang erfolgte und zudem frei zugänglich für jedermann über das Internet.

Verbreitung = Verarbeitung

Bei der Veröffentlichung des Videos handelt es sich um eine Verbreitung im Sinne des KUG und zugleich um eine Verarbeitung personenbezogener Daten im Sinn von Art. 4 Nr. 2 DSGVO.

Kein Nachweis einer Einwilligung

Die Veröffentlichung war rechtswidrig, unabhängig davon, ob man die Maßstäbe des § 22 KUG zugrunde legt oder die Maßstäbe von Art. 6 DSGVO. Das gilt zunächst für die Frage, ob eine Einwilligung der Frau vorliegt:

Eine Einwilligung, die den Anforderungen von § 22 KUG genügt, konnte der Friseur nicht nachweisen. Er hat weder Zeugen hierfür benannt noch sonst Beweismittel vorgelegt und ist auch nicht persönlich vor Gericht erschienen.

Zudem ist seine Darstellung in sich widersprüchlich. Er behauptet einerseits, dass die Klägerin ausdrücklich eingewilligt hätte, andererseits, dass eine stillschweigende (konkludente) Einwilligung erfolgt sei.

Damit ist zugleich auch nicht der Nachweis geführt, dass eine Einwilligung gemäß Art. 6 Abs. 1 Buchst. a DSGVO in Verbindung mit Art. 7 Abs. 1 DSGVO vorliegt. Die DSGVO legt an den Nachweis einer Einwilligung keine geringeren Maßstäbe an.

Keine gesetzliche Rechtsgrundlage

Die Veröffentlichung war auch nicht durch eine gesetzliche Regelung gerechtfertigt:

Eine Rechtfertigung der Veröffentlichung durch § 23 KUG liegt nicht vor. § 23 KUG erlaubt für bestimmte, einzeln aufgezählte Konstellationen eine Veröffentlichung auch ohne Einwilligung der abgebildeten Person.

Er macht davon jedoch dann eine Ausnahme, wenn die Veröffentlichung berechtigte Interessen der abgebildeten Person verletzt. Genau das ist hier der Fall, da die Frau nicht mit einer Veröffentlichung rechnen musste.

Zu demselben Ergebnis führt die Anwendung von Art. 6 Abs. 1 Buchst. f DSGVO. Er würde eine Veröffentlichung zur Wahrung berechtigter Interessen des Friseurs erlauben – dies jedoch nur, sofern nicht die Interessen der Frau überwiegen.

Werbung darf nicht alles

Genau das ist jedoch der Fall. Zwar sind Zwecke der Direktwerbung grundsätzlich als berechtigtes Interesse anzuerkennen (siehe Erwägungsgrund 47 der DSGVO).

Es ist jedoch bereits zweifelhaft, ob die Verwendung von Aufnahmen einer Kundin für diesen Zweck wirklich als erforderlich anzusehen ist. Auch darauf kommt es jedoch nicht an.

„Vernünftige Erwartungen“

Denn, so das Gericht wörtlich: „Darüber hinaus widerspricht es den vernünftigen Erwartungen eines Kunden in einem Friseursalon, dass sein Besuch im Salon filmisch festgehalten und zur Bewerbung im Internet verwendet wird.“

Dabei beruft sich das Gericht auf Erwägungsgrund 47 zur Datenschutz-Grundverordnung, der den Aspekt der „vernünftigen Erwartungen“ ausdrücklich anspricht.

Klares rechtliches Ergebnis

Im Ergebnis muss das Gericht somit nicht entscheiden, wie sich das rechtliche Verhältnis zwischen DSGVO und KUG darstellt. Darauf kommt es nicht an. Unabhängig davon, welche der Vorschriften man anwendet, ist das Ergebnis dasselbe.

Was war eigentlich wirklich los?

Lässt man sich den Sachverhalt einmal fern aller Juristerei durch den Kopf gehen, dann könnte Folgendes passiert sein: Der Friseur hatte seinen üblichen „Film- und Fototag“ angesetzt.

Dafür waren Models bestellt und Fotografen. Beide machten ihren Job. Deshalb dachte sich der Friseur auch in keiner Weise etwas Böses.

Dabei übersah er leider, dass eine „echte Kundin“ anwesend war und dass dieser Kundin nicht hinreichend klar war, was an diesem Tag eigentlich im Friseursalon los war. So kam es dann zu Missverständnissen.

Wie gesagt, dies ist reine Spekulation, denn der Friseur hielt es nicht einmal für nötig, vor Gericht zu erscheinen und die Dinge aus seiner Sicht mündlich darzulegen.

Dennoch hat die Spekulation Vieles für sich. Denn dass ein offensichtlich erfolgreicher Friseur Kundinnen in seinem Salon von Fotografen quasi überfallen lässt und die Aufnahmen dann einfach so auf Facebook stellt, wirkt doch ziemlich unwahrscheinlich.

Das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 13. September 2018 trägt das Aktenzeichen 2-03 O 283/18 und ist abrufbar unter https://openjur.de/u/2181591.html.

Dr. Eugen Ehmann