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/ 08. November 2022

Datenweitergabe: Bundesverfassungsgericht schränkt Verfassungsschutz ein

Darf der Verfassungsschutz nachrichtendienstlich gesammelte personenbezogene Daten an die Sicherheits- und Strafverfolgungsbehörden weitergeben? „Nur zur Verfolgung besonders schwerer Straftaten“ – sagt das Bundesverfassungsgericht in einem aktuellen Urteil. Es schränkt die Datenweitergabe ein und fordert eine Überarbeitung des Bundesverfassungsschutzgesetzes.
Was das Bundesverfassungsgericht genau sagt:

„Mit heute veröffentlichtem Beschluss hat der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts entschieden, dass die Übermittlungsbefugnisse der Verfassungsschutzbehörden in Angelegenheiten des Staats- und Verfassungsschutzes nach dem Bundesverfassungsschutzgesetz (BVerfSchG) mit dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) nicht vereinbar sind“, erklärt das Bundesverfassungsgericht in einer Pressemitteilung. „Die betreffenden Vorschriften verstoßen gegen die Normenklarheit und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.“

Befugnisse des Verfassungsschutzes gehen zu weit

Konkret bedeutet das Urteil: Der Verfassungsschutz darf künftig nicht mehr so viele nachrichtendienstlich gesammelte Daten über Personen an Polizeien und Staatsanwaltschaften weitergeben wie bisher.

Die bisherigen Übermittlungsbefugnisse sind – laut Bundesverfassungsgericht – zu weitgehend und verstoßen zum Teil sogar gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung und das Grundgesetz.

Datenweitergabe nur bei besonders schweren Straftaten erlaubt

Ab sofort dürfen Daten „nur zur Verfolgung besonders schwerer Straftaten“ übermittelt werden, heißt es in dem Beschluss aus Karlsruhe. Das können zum Beispiel Vorbereitungen für einen Terroranschlag sein – vorausgesetzt, „dass ein durch bestimmte Tatsachen begründeter Verdacht vorliegt, für den konkrete und verdichtete Umstände als Tatsachenbasis vorhanden sind“.

Trennungsprinzip muss befolgt werden

Hintergrund für dieses Urteil ist das sogenannte Trennungsprinzip, das auf den unterschiedlichen Befugnissen der Instanzen gründet.

„Geheimdienste sind für ihre Tätigkeit mit umfangreichen Befugnissen ausgestattet. Ihre Aufgabe muss sich allerdings auf Beobachtung und Aufklärung beschränken“, erklärt die Tagesschau. „Für das direkte Eingreifen bei Strafdelikten ist die Polizei zuständig, die sich an viel genauere Regeln zu halten hat.“

Dieses Trennungsprinzip darf – laut Bundesverfassungsgericht – nicht unterlaufen werden, indem die Nachrichtendienste ihre nachrichtendienstlich gesammelten Daten einfach an die Polizei für deren Einsätze weiterreichen.

Bundesverfassungsschutzgesetz muss überarbeitet werden

Das Bundesverfassungsschutzgesetz muss nun bis spätestens Ende des kommenden Jahres überarbeitet werden.

Bis dahin bleiben die beanstandeten Vorschriften noch in Kraft – aber natürlich mit Einschränkungen.

Kläger kommt aus dem rechten Spektrum

Den Stein ins Rollen gebracht „hatte ein Mann, der 2018 im Münchner NSU-Prozess wegen Beihilfe zu einer dreijährigen Jugendstrafe verurteilt worden war“, berichtet die Süddeutsche Zeitung. Er hatte gestanden, den Rechtsterroristen des sogenannten „Nationalsozialistischen Untergrund“ (NSU) die Pistole übergeben zu haben, mit der später neun rassistisch motivierte Morde begangen wurden.

Seine Verfassungsbeschwerde hatte er schon im Jahr 2013 eingereicht. Dabei ging es um die neu geschaffene Rechtsextremismus-Datei (RED), in der die zuständigen Behörden in Bund und Ländern Informationen über gewaltbezogene Rechtsextremisten austauschen.

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Elke Zapf